: Paint it black, Baby!
■ betr.: „Schwarzer, schillernder Osten“ von Helmut Böttiger, taz vom 9. 11. 95
Auch für mich war Heiner Müller zu DDR-Zeiten eine übermenschliche Erscheinung. Ich habe mich intensiv mit seinen Stücken beschäftigt, mit seinen Äußerungen, seinem Leben. Er wurde mir zum Maß vieler Dinge. Dann sollte er höchstpersönlich im Bärenzwinger lesen. Voller Erwartungen ging ich dorthin und sah, daß die Veranstaltung wegen Erkrankung des Dramatikers ausfiel. Da plötzlich schrumpfte für mich dieser Gott auf ein menschliches, ein erträgliches Maß.
Seither kann ich gelassen, kritisch distanziert mit seinen Äußerungen umgehen, muß nicht Ernst Jünger lesen, wenn Heiner Müller diesen liest und kann Elitegedanken mit gutem Gewissen für unbrauchbar erachten. T. Bruhn, Dresden
Der Begriff „Post-DDR“ ist ein gar komisches Wort, für Berlin bedeutet es anno 95 hauptsächlich: deutsche Hauptstadt. Was das wiederum bedeutet, wissen alle, interpretiert wird es ja nach sozialem Status. „Jede Baustelle ist eine Hoffnungsstelle“ meint Hanna Laurien, währenddessen die Habenichtse aus Kreuzberg das ganz anders sehen. Jene hat Böttiger eine Woche zuvor in der FR in einem Artikel zum selben Thema beschrieben als „die Grufties, die sich hier in abgewetzten Lederjacken zwischen schwarz gestylten Höhlenwänden ihr Büchsenbier geben, wissen mittlerweile, daß sie sich überlebt haben“.
Die Habenichtse am Prenzelberg und in Mitte haben zwar neben Dosenbier noch ihr selbst angebautes kreatives Umfeld, wenn's aber in zwei, drei Jahren richtig losgeht mit der Präsenz von Regierung, Sony, Daimler und Co. wird das noch schneller kassiert, als das in Kreuzberg passieren konnte. Von der jetzigen, auch von mir geliebten improvisierten Szenerie wird nichts bleiben, außer der Leuchtschrift „Ost“ an der vom Senat gesponserten Volksbühne. Für Feuilletonisten deines Schlags wird hier aber immer Platz sein, weil der Kulturinteressierte eine schaurig-schöne Gänsehaut bekommt, wenn er zum Frühstück wohlformulierte Sätze lesen darf wie eben dein Schlußsatz: „In Heiner Müllers schwarzem Schweigen steht, bisher unentziffert, die deutsche Zukunft.“ Du hast recht, was bleibt, ist das Wort „schwarz“. Heiner Weiss, Berlin
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