: Biographische Notizen: Bautzen, Bhagwan und Beethoven
Schon mit 16 glaubte Rudolf Bahro an kommunistische Ideale. 16 Jahre später öffnete ihm der Prager Frühling die Augen. Bahro, „durch und durch DDR- Produkt“, hatte gelernt, sich für die SED zu schämen: Er ging auf Gegenkurs.
Fünf Jahre schrieb der überzeugte Kommunist an der „Alternative“. Nach Dienstschluß im Gummikombinat Berlin tippte er seine Abrechnung mit den SED-Genossen. Deren Zustand beschrieb er 1977 so: „Die Partei steht da wie die Papstkirche vor Luthers Reformation, ungläubig bis tief in die eigenen Reihen, Ratlosigkeit bis ins Politbüro. Weit und breit keine Konzeption.“
Bahro ließ das Manuskript der „Alternative“ in den Westen schmuggeln, wo es im Spiegel vorabgedruckt wurde. Kurz darauf, am 23. August 1977, wurde er verhaftet, aus der Partei geworfen und später wegen „nachrichtendienstlicher Tätigkeit“ zu acht Jahren Bautzen verknackt. Bahro wurde neben Havemann und Biermann zum bekanntesten DDR-Oppositionellen.
1979 aus dem Knast entlassen und in die Bundesrepublik abgeschoben, unterstützte Bahro die Gründung der Grünen, 1982 bis 1984 gehörte er dem Bundesvorstand an. Weil die Partei nur noch die „Putzarbeiten auf der Titanic“ verrichte, verließ er sie 1985 auf dem Hagener Parteitag.
Der Philosoph und Sozialökologe wurde Gastdozent an der Freien Universität Berlin, kämpfte für Tierschutz, betrieb eine Lernwerkstatt in der Eifel, besuchte Bhagwan in Oregon, versenkte sich in die Lehre Buddhas und die Musik Beethovens.
Nach dem Zusammenbruch der DDR ging er nach Ostberlin zurück und erhielt an der Humboldt- Universität sein „Institut für Sozialökologie“. Bis zu 600 Zuhörer stürmten anfangs seine Vorlesungen. Eine ordentliche Professur hat ihm der Berliner Senat bis heute verweigert.
Mit Unterstützung von Kurt Biedenkopf förderte Bahro die Einrichtung des sächsischen „Lebens Gutes“ Pommritz, wo 45 Aussteiger in einer kommunitären Basisgruppe leben.
Der Radikal-Ökologe ist in dritter Ehe verheiratet und hat vier Kinder. Am morgigen Samstag wird Rudolf Bahro 60 Jahre alt.
Dazu ist soeben im Verlag Edition Ost der Reader „Apokalypse oder Geist einer neuen Zeit“ erschienen, mit Aufsätzen von Bahro und Freunden.
Foto 1985: Martin Kunze/Visum
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