piwik no script img

Die Technik des Schneelaufschuhs

Wie das Skifahren von Norwegen in die Alpen kam und wie sich schließlich die Alpentechnik durchsetzte. Mit dem Skifahren begann auch der kommerzielle Wintertourismus in den Alpen  ■ Von Manfred Pils

Der Wintersport mit Skiern kommt aus Norwegen. Dort wurden schon 1813 Skivereine gegründet und ab 1861 auch Skiwettkämpfe veranstaltet. Ende des 19. Jahrhunderts begannen einige Pioniere in den Alpen mehr oder weniger erfolgreich mit den langen Holzlatten an den Beinen zu experimentieren, wie etwa der Bregenzer Alpinist Viktor Sohm, der Salzburger Wilhelm von Arlt, die Steirer Max Kleinoschegg und Toni Schruf oder der Kitzbühler Gastwirt Max Reisch. Am schnellsten setzte sich das neue Gerät als Fortbewegungsmittel für Förster und Jäger durch. Als der Norweger Fridtjof Nansen 1888 auf Skiern Grönland durchquerte, erregte diese Expedition in ganz Europa Aufsehen – und machte den Ski europaweit bekannt. Nansen löste mit seinem Bericht das sogenannte „Nansenfieber“ aus. Viele versuchten nun in den Besitz von Skiern zu kommen.

Aber die für das Wandern in der Ebene entwickelte Bindung und die Fahrtechnik der Norweger eigneten sich nicht für steile Alpenregionen. Es war eine Langlauftechnik, mit der man zwar kleinere Hügel hochsteigen konnte, bei steileren aber abschnallen mußte. Abgefahren wurde in gerader Linie, wurde es zu steil, ließ man sich fallen. Später wurde diese Technik mit dem Telemarkschwung ergänzt. Matthias Zdarsky aus Lilienfeld erfand eine neue, starre Skibindung. Der Fahrstil wurde durch die Entwicklung der Einstocktechnik und die Kombination von Pflug- und Stemmbögen auf die Alpenhänge zugeschnitten. 1896 veröffentlichte er seine „Lilienfelder Skilauftechnik“.

Auch Naturfreunde zählten zu Pionieren des Skilaufs. Die Ortsgruppe Steyr führte schon 1898 eine Skipartie auf den Schoberstein aus. Karl Jaworek bewarb den neuen Sport im ersten Naturfreund des Jahres 1901. Im Jännerprogramm wurde auch erstmals eine Tour im Wienerwald angeboten: Bierhäuselberg, Höllenstein, Sulz, Kaltenleutgeben. Aber der neue Sport wollte sich anfangs nicht so recht durchsetzen.

Unter den Skipionieren dieser Zeit entwickelte sich ein heftiger Richtungsstreit. Während um den Arlberg und in Mürzzuschlag die „Norwegermethode“ propagiert wurde, kämpfte Matthias Zdarsky um die Anerkennung seiner neuen Alpenskitechnik. Er forderte die „Norweger“ 1905 zum öffentlichen Vergleichsrennen auf der Breiten Ries am Schneeberg auf. Ein Freund von ihm setzte 3.000 Gulden Belohnung für den Sieger aus. Aber die „Norweger“ erschienen nicht am Start, womit der Streit praktisch entschieden war. Zdarsky entwickelte bei seinen Skistudien auch den Torlauf, als er die Schüler in seinen Kursen durch Stangen zur bewußten Richtungsänderung bringen wollte. Bisher waren immer mehrere Skiläufer gleichzeitig in einem Rennen gestartet, Sieger war, wer zuerst durchs Ziel kam. Am 19. März 1905 fand auf dem Muckenkogel bei Lilienfeld der erste Torlauf der Geschichte statt.

Nun erst begann sich der Skilauf auch bei den Naturfreunden verstärkt durchzusetzen. 1905 wurde eine Skischule gegründet, die in der Technik des „Schneelaufschuhs“ unterwies. Am 20. November 1906 wurde offiziell die Wintersportsektion der Naturfreunde ins Leben gerufen, die auch gleich eine große Anzahl von Skikursen ankündigte. Die Skischule der Wiener Zentrale wurde von Karl Barta übernommen, der im Wienerwald Tausenden Naturfreunden das Skilaufen beibrachte. Er war ein glühender Anhänger der Einstocktechnik von Zdarsky.

Der Skilauf bot den Naturfreunden die Möglichkeit, auch im Winter Angebote für Mitglieder vermehrt zu organisieren. Neben den Kursen wurde auch ein Skiverleih eingerichtet, um Anfängern den Einstieg in den neuen Sport zu erleichtern. Der Skilauf förderte auch den kommerziellen Tourismus. Die Staatsbahnen richteten schon 1907 eigene Sportzüge nach Lilienfeld und Türnitz ein oder hängten „Sportwaggons“ an die Züge nach Mürzzuschlag und auf den Semmering. Ab 1912 wurden von den Naturfreunden Skihütten gepachtet, wie etwa jene am Klausberg in Dornbirn, oder gebaut, zum Beispiel 1913 auf dem Birgitzköpfel von der neugebildeteten Wintersportgruppe Innsbruck. Die Wintersportgruppe der Wiener Naturfreunde hatte 1912/13 1.233 Mitglieder und war damit die größte aller alpinen Vereine.

Aus: Manfred Pils: „Berg frei – 100 Jahre Naturfreunde“, Wien 1994. Der Autor ist Generalsekretär der Naturfreunde Internationale.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen