: Einbürgerung erst nach dem Krieg
■ Ein Münchner mit serbischem Paß verklagt die Regierung Oberbayerns, weil sie ihm einen deutschen Paß verweigert
München (taz) – Ein Mensch – zwei Pässe, solche Konstellationen will Innenminister Günther Beckstein (CSU) verhindern. Ein Münchner mit serbischem Paß will sich jedoch nicht hinhalten lassen: Er klagt gegen die Regierung.
Zsolt (23) ist in München geboren und aufgewachsen, spricht perfekt deutsch und kein Wort serbokroatisch. Aber sobald der Informatikstudent seinen Paß zeigt, dauert alles etwas länger als bei seinen deutschen Freunden: Er muß mehr Formulare ausfüllen, hat Probleme bei der Jobsuche und kein Wahlrecht in Deutschland. Deshalb hat Zsolt 1990 die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt. Sein Antrag lag eine Weile bei den deutschen Behörden. Währenddessen zerbrach Jugoslawien. Jetzt ist dort Krieg und Zsolt, der Jugoslawien nur ein paarmal in den Ferien besucht hat, hat noch einen Grund, nicht mehr Serbe sein zu wollen: Sobald seine Ausbildung zu Ende ist, müßte er in Serbien Militärdienst leisten.
Eigentlich bekommt ein junger Ausländer einen deutschen Paß, wenn er seit acht Jahren in der Bundesrepublik lebt, sechs Jahre hier zur Schule gegangen und nicht straffällig geworden ist. Und wenn der bisherige Heimatstaat ihn aus der Staatsangehörigkeit entläßt. Doch Bürger aus Ex-Jugoslawien erfüllen die letzte Voraussetzung selten: In Bosnien werden derzeit nur Entlassungsanträge von Frauen über 45 und Männern über 50 Jahre bearbeitet. „Nach dem Krieg“, heißt es vage in der Bonner Botschaft, werde über Anträge von Jüngeren entschieden. In jedem Fall wird Antragstellern kräftig in die Tasche gelangt: 450 Mark betragen die Bearbeitungskosten bei den Kroaten, Bosnien verlangt 1.072 Mark und Rest-Jugoslawien 2.560 Mark. 1993 knöpfte man Zsolt gar 3.629 Mark ab. Mit Übersetzungsgebühren kam der Student auf rund 4.000 Mark.
Vor allem bei jungen Männern wird die Entscheidung oft herausgezögert: Solange sie einen jugoslawischen Paß haben, können sie eingezogen werden. So wurde 1994 auch Zsolts Antrag auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft abgelehnt, „weil Hindernisse in Hinblick auf die Wehrpflicht bestehen“. Zsolt könnte über diese Begründung, die er sich erst vom Serbokroatischen ins Deutsche übersetzen lassen mußte, eigentlich froh sein: Wer mit Hinweis auf den Wehrdienst nicht aus seiner Staatsbürgerschaft entlassen wird, kann laut § 87 Ausländergesetz dennoch einen deutschen Paß bekommen. Als Zsolt mit der serbischen Ablehnung zum Kreisverwaltungsreferat marschierte, verwies man ihn dort auf das Kleingedruckte. Binnen 30 Tagen, so hatten die Behörden in Belgrad geschrieben, könne gegen den Bescheid Beschwerde eingereicht werden. Von München aus hätte er einen deutschsprachigen Rechtsanwalt in Belgrad organisieren und bezahlen müssen. Das hatte Zsolt nicht getan. Doch die Behörde bestand auf der Formalie – gemäß der Linie von Innenminister Beckstein. Der erschaudert beim Gedanken an einen Soldaten, der „im bosnischen Bergland kämpft“, dabei stirbt und in dessen Hosentaschen man dann einen deutschen Paß findet: Das führe zu „außenpolitischen Verwicklungen“.
Zsolt erhielt einen Rat vom Kreisverwaltungsreferat: Er könne ja einen zweiten Antrag in Belgrad stellen und gegen eine erneute Ablehnung klagen. Weitere zwei Jahre warten, noch einmal 4.000 Mark zahlen – Zsolt hatte dazu keine Lust. Er klagt nun gegen die Regierung von Oberbayern – wegen Untätigkeit. Daniela Vates
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