Salman Rushdie „wie ein Gefangener“ in Chile

■ Der Autor der „Satanischen Verse“ darf „aus Sicherheitsgründen“ nicht an der Eröffnung der Santiagoer Buchmesse teilnehmen und hat praktisch Hausarrest

Santiago de Chile (taz) – „Salman Rushdie wird in Chile fast wie ein Gefangener behandelt. Er kann sein Apartment nicht verlassen und hatte bislang keine Möglichkeiten zu Kontakten mit den Chilenen.“ So kommentierte Olaf Haften, Vertreter von Rushdies Verlag Plaza & Janes, die Situation des Autors der „Satanischen Verse“, nachdem das chilenische Innenministerium am Donnerstag kurzfristig Rushdies Teilnahme an einer Eröffnungsveranstaltung der 15.Santiagoer Buchmesse verboten hatte.

Der 1989 von Ayatollah Khomeini mit einem Todesurteil belegte Schriftsteller war am Donnerstag mittag mit einer Linienmaschine in Chile eingetroffen und unter Bewachung von britischen Scotland-Yard-Agenten und örtlicher Polizei per Luftwaffenhelikopter an einen unbekannten Ort im Zentrum gebracht worden. Gleichzeitig durchsuchten Spezialeinheiten mit Spürhunden das Gelände der Buchmesse, einen umgebauten Bahnhof.

Gegen 17.00 Uhr teilte ein Staatssekretär des Innenministeriums jedoch den Vertretern des Verlages mit, „aus Sicherheitsgründen“ werde Rushdies für 19.00 Uhr geplanter Auftritt vor 500 geladenen Gästen der Eröffnungsveranstaltung untersagt. Eine nähere Begründung der Kontaktsperre, die Rushdie nach Angaben seines Verlegers „als Angriff auf seine Menschenrechte“ sieht, gab es nicht. Lediglich der Imam der Santiagoer As-Salam- Moschee hatte im Vorfeld den Besuch Rushdies aufgrund dessen „beleidigender und blasphemischer Schriften“ verurteilt.

Was von dem ursprünglich auf vier Tage angesetzten Besuchsprogramm realisiert werden kann, das unter anderem die Vorstellung seines neuen Buches „The Moor's Last Sigh“ sowie verschiedene Treffen mit Schriftstellerkollegen vorsah, ist noch nicht absehbar. Gestern abend wollte sich Rushdie in seinem Zwangsversteck mit Pressevertretern treffen.

Die Reaktionen auf den verhinderten Auftritt Rushdies sind gegensätzlich: Der Leiter der Buchmesse, Eduardo Castillo, distanzierte sich deutlich von dem verfolgten Autor: „Nicht wir haben ihn eingeladen, sondern der Verlag Plaza & Janes“, sagte Castillo. Am Stand des Iran in der Messehalle wolle man in jedem Fall festhalten. Währenddessen hat der Philosoph Fernando Savater, ein nicht verhinderter Gast der Buchmesse, die mangelnde Solidarität mit Rushdie beklagt. „Das Schlimme an der westlichen Ideologie ist ja nicht ihre Ethik mit universellem Anspruch, sondern die Selektivität, mit der diese in den universellen Beziehungen angewandt wird.“ Thomas Nachtigall