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Nach der Razzia untergetaucht

■ Zwei BremerInnen sollen „radikal“ unterstützt haben / Mitbewohner seit Juli in Beugehaft

Seit fünf Monaten leben zwei BremerInnen und ein Mann aus Oldenburg im Untergrund. Die Bundesanwaltschaft (BAW) sucht sie und einen weiteren Mann aus Köln seit dem 13. Juni 1995 per Haftbefehl. Die BAW wirft ihnen vor, die linksradikale Untergrundpostille „radikal“ hergestellt und vertrieben zu haben. Am Samstag wurde der Stand des Verfahrens auf einer Solidaritätsveranstaltung diskutiert.

Am 13. Juni hatten Polizei und Sondereinsatzkommandos in zehn deutschen Städten über 50 Wohnungen und linke Infoläden durchsucht. In Bremen durchkämmte die Polizei neben Privatwohnungen auch den BBA-Infoladen. Sie beschlagnahmte Akten, private Papiere und Fotos, den Computer und Anrufbeantworter des BBA-Ladens. Bis heute hat die Polizei die gefundenen Materialien scheinbar nicht ausgewertet, da sie die Geräte bislang nicht zurückgegebn hat.

Die Durchsuchungs- und Haftbefehle für insgesamt acht Personen aus dem linksradikalen und autonomen Milieu sollen nach Augenzeugenberichten bereits vom 20. April datiert gewesen sein. Die BAW begründete beide mit vier laufenden Ermittlungsverfahren: Gegen Hersteller und Unterstützer der Zeitschrift „radikal“, gegen die terroristische Berliner Vereinigung „K.O.M.I.T.E.E.“, die „Antiimperalistischen Zellen“ (AIZ) und einer mutmaßlichen RAF-Sympathisantin.

Die gesuchte Frau aus Bremen war zum Zeitpunkt der Razzien nicht in Bremen. FreudInnen konnten sie von dem Haftbefehl unterrichten. Seitdem lebt sie wegen der mutmaßlichen Unterstützung einer verbotenen Zeitschrift im Untergrund. Den Bremer M. konnte die Polizei am 13. Juni ebenfalls nicht verhaften. Pech für seinen Mitbewohner: Am 4. Juli beorderte der Generalbundesanwalt den Studenten U. nach Karlsruhe. Er sollte den Aufenthaltsort seines Mitbewohners bekanntgeben.

U. verweigerte die Aussage. Da er jedoch als Zeuge in einem laufenden Verfahren kein Verweigerungsrecht hat, wurde er zu fünf Monaten Beugehaft verurteilt. Seit dem 4. Juli sitzt U. im Gefängnis Heimsheim. Sollte er am 4. Dezember wieder die Aussage verweigern über einen Tatbestand den er nach menschlichem Ermessen dann nicht mehr wissen kann – wo sein ehemaliger Mitbewohner lebt – kann die Beugehaft um maximal sechs Monate verlängert werden. Die BAW verzichtete bei U. darauf, ihm die Kosten für Kost und Logis im Gefängnis in Rechnung zu stellen. Das ist in anderen Fällen von Beugehaft bereits vorgekommen, schließlich verursachen die Häftlinge nach staatlicher Lesart ihre Haft selbst.

Den vier in Rendsburg, Lübeck, Berlin und Münster festgenommenen und seitdem in U-Haft sitzenden Männern wird ebenfalls die Herstellung und der Vertrieb von „radikal“ vorgeworfen. Für den Haftbefehl bemühte die BAW den Paragraphen 129 StGB, die „Bildung einer kriminellen Vereinigung“. Die mutmaßlichen Schreiber einer linksradikalen Zeitung sollen dies mit dem Ziel getan haben, um eine „terroristische Vereinigung“ (§ 129a StGB) zu bilden.

Seit rund zwölf Jahren ermittelt die BAW gegen „radikal“. 1984 wurden zwei Mitarbeiter der Zeitschrift zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt, zogen dann jedoch für die Grünen ins Europaparlamentein und genossen dadurch Immunität. Neu ist nach Meinung von UnterstützerInnen der „radikal“-Inhaftierten, daß „das Herstellen einer zeitung zur Tätigkeit einer kriminellen Vereinigung“ erklärt wird. ufo

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