: Die Preußen in Teufels Küche
Nicht der Kampf auf dem Eis, sondern mit Juristen und Steuerprüfern beschäftigt derzeit die zwei Berliner Eishockey-Bundesligisten ■ Von Jürgen Schulz
„Alle reden nur noch vom Geld“, schimpft Lorenz Funk, Manager des Eishockey-Klubs EHC Eisbären aus Hohenschönhausen. Auch sein Charlottenburger Kollege Stefan Metz von den Preussen Devils versteht die Welt nicht mehr: „Skandale, Skandale! Was auf dem Eis passiert, interessiert kaum noch.“
Es gibt keine Gerechtigkeit mehr. Da besitzt Berlin als einzige deutsche Stadt zwei Vereine in der höchsten deutschen Eishockey- Liga, der DEL. Und dennoch gerät das atemberaubende Puckgeflitze immer mehr ins Hintertreffen. Aus gutem Grund: denn gegenwärtig sorgen eher Juristen und Steuerprüfer für Schlagzeilen. Kein Wunder, daß sich die Herren Funk und Metz, beide ausgewiesene Fachleute im schnellsten Teamsport der Welt, völlig deplaziert vorkommen.
Vor allem die Charlottenburger Preussen werden derzeit von internen Querelen erschüttert. „Der schmutzige Eishockey-Krieg geht vor Gericht“, titelte Bild. Wenn's denn soweit kommen sollte, stünden sich gegenüber: Herrmann Windler, bis Frühjahr 1995 Präsident des Stammvereins BSC Preussen (jetzt zuständig für die Nachwuchsarbeit) sowie sein smarter Nachfolger Axel Banghard (29), Chef der ausgelagerten Profi-Abteilung „Preussen Devils“. Bauunternehmer Banghard wirft Steakhaus-Besitzer Windler Steuerbetrug und doppelte Buchführung vor. Angeblich soll Windler auf diese Weise beim BSC e.V. einen Schuldenberg von beinahe sieben Millionen Mark angehäuft haben. Deshalb hat Ober-„Teufel“ Banghard einen Konkursantrag gegen den Stammverein BSC Preussen gestellt und einen neuen Unterbau namens Preussen Devils e.V. gegründet, der die Nachwuchsmannschaften übernähme. Mit diesem juristischen Kunstgriff, dem gute Chancen eingeräumt werden, bräuchte Banghard den angeblich konkursreifen BSC nicht zu sanieren.
Der Verlierer wäre sein Vorgänger und Kontrahent Windler, der mit den finanziellen Altlasten klarkommen müßte. Der Expräsident weist jedoch jede Schuld von sich und bezweifelt die Richtigkeit der Banghardschen Angaben über die Miesen in der Vereinskasse. Windler attackiert Banghard & Co. nach Eishockey-Manier. Sein böser Verdacht: „Man will mich fertigmachen. Der neue Vorstand will nur ans Tafelsilber, ohne einen geldwerten Ausgleich für die erste Mannschaft [die Profis, d. Red.] und den Nachwuchs zu bieten.“ Windler hat mittlerweile Strafantrag gegen „Devils“-Präsident Axel Banghard und dessen Schatzmeister Alfred Weiss wegen übler Nachrede, Verleumdung, Beleidigung und wissentlich falscher Aussagen gestellt.
Unter dem unappetitlichen Kleinkrieg leidet der Sport. Mittlerweile ist der Zuschauerzuspruch in der Charlottenburger Eishalle an der Jafféstraße, der „Hölle der Preussen Devils“, dramatisch gesunken. Und das, obwohl man bei einem Rekordetat von 14,3 Millionen Mark auf die Eintrittsgelder dringend angewiesen ist.
Mit weitaus niedrigeren Ausgaben, aber kaum geringeren Sorgen müssen die Ortsrivalen aus Hohenschönhausen fertig werden. Die Eisbären wollen in der laufenden Spielzeit nur fünf Millionen Mark ausgeben. Zum Glück sind Eisbären erstklassige Schwimmer, denn das Wasser steht dem ehemaligen Dynamo-Sportclub schon lange bis zum Hals. Schätzungsweise zwei Millionen Mark Schulden schleppen die Polartiere mit sich herum. Vor der Saison 1994/95 mußten die Hohenschönhausener sogar um die Teilnahme an der Profiliga DEL zittern. „Deshalb setzen wir jetzt gezielt auf den eigenen Nachwuchs und verzichten auf teure Spielereinkäufe. Eine andere Chance haben wir nicht, um zu überleben“, behauptet Eisbären- Boß Helmut Berg.
Doch auch im Sportforum stehen die Zeichen auf Sturm. Das Finanzamt rückt den Eisbären immer dichter auf den Pelz. Dabei hatte Präsident Berg, ein Immobilienhändler aus dem Westen Berlins, im Frühherbst die Rettung seines EHC Eisbären verkündet. Zu früh, wie sich jetzt herausstellt.
Anlaß für Bergs ursprünglichen Optimismus war ein Gipfeltreffen mit dem Senat, in das auch der Regierende Bürgermeister Diepgen eingriff. Das Stadtoberhaupt, so Helmut Berg, habe sich damals bereit erklärt, die Finanzverwaltung zu zügeln, um den Eisbären die Luft nicht gänzlich abzudrehen. Was der Eishockey-Boß wohl übersehen haben muß: Das Gespräch fand vor den Abgeordnetenhauswahlen statt, und Diepgen wollte es sich mit den Bewohnern im Osten Berlins nicht verderben, wo die Eisbären ungemeine Popularität genießen. Nach dem Urnengang scheint sich Diepgen an nichts mehr erinnern zu können.
Helmut Berg jedenfalls versteht die Welt nicht mehr. „Man will uns plattmachen“, schimpft er und kündigte für Dezember seinen Rücktritt an. Den Eishockey-Fans stehen womöglich ganz trübe Weihnachten ins Haus.
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