: Es werde Lothar, und es ward
Matthäus ist wieder da und mit ihm ein Weg: Bei Bayerns 2:0 über Bremen zeigt der Genesene fußballerische und verbale Ökonomie ■ Aus München Markus Götting
In eine wärmende Jacke gehüllt und von einem Pulk wißbegieriger Berichterstatter nahezu verschluckt, machte sich Lothar Matthäus auf den Weg in die wärmende Umkleidestube des Olympiastadions. Und während er sich einen schmalen Pfad bahnte, sprach Deutschlands Rekordnationalspieler Worte der Freude und solche der Erleichterung. LOTHAR ist wieder da, und mit ihm der Erfolg. 2:0 (1:0) besiegte sein Arbeitgeber FC Bayern den SV Werder Bremen, was bemerkenswert ist, wenn man berücksichtigt, daß Münchens Nobelklub in den vergangenen Wochen primär außerhalb des Fußballfeldes für Aufsehen sorgte.
Noch am Freitag hatte sich die Klubführung mit dem sportlichen Leiter und ausgewähltem Ballpersonal im Vereinszentrum an der Säbener Straße zum Gesprächskreis getroffen; ein klärendes Gespräch, welches freilich nötig war, nachdem zuletzt Kommunikationsstörungen zu beklagen waren zwischen Fußball-Lehrer Otto Rehhagel und den ihm unterstellten Kickern.
Aber wenn man denkt, es geht nichts mehr, kommt plötzlich ein Lichtlein her. Personifiziert ist diese Flamme der Hoffnung in Lothar Matthäus, welcher genesen ist nach zwei Achillessehnen-Operationen. „Der beste Mann auf dem Platz“ sei der Captain gewesen, fand Präsident Franz Beckenbauer; eine Einschätzung, die wohl bewußt übertrieben war, zumindest aber eine Minderheitsmeinung. Wenn es brenzlig wurde, zog Matthäus jedenfalls stets den Stiefel weg. Oder er befahl Thomas Strunz ins Getümmel. Aber Angst habe er nicht gehabt, sagte Matthäus, weil der Arzt seinen ersten Pflichtspieleinsatz anno 1995 befürwortet hatte; einzig an Spielpraxis mangele es ihm, und er sagte: „Training und Spiel sind zwei verschiedene Paar Schuhe.“ Das ist bekannt.
Lothar Lichtgestalt hielt sich zurück, ökonomische Spielweise war verordnet worden von Rehhagel. Und ökonomisch spielte die gesamte Mannschaft. Jürgen Klinsmann staubte nach sechs Minuten zum 1:0 ab, und hernach ward Bayern-Offensive kaum noch erlebt. Solche bot zwar Werder Bremen, weil dies die Philosophie von Rehhagels Nachfolger Aad de Mos ist, ein Tor aber wollte nicht gelingen. Wohl auch in Ermangelung eines trefflichen Torjägers. Und als eigentlich die Gäste dem Ausgleich näher waren, da schloß kurz vor dem Abpfiff Alexander Zickler einen flotten Konter zum 2:0 ab. „Hauptsache gewonnen“, meinte Ciriaco Sforza, was wohl heißen sollte, daß Grundlage des Sieges weder Brillanz noch Inspiration waren. Rehhagel glaubte dennoch, daß die Zuschauer „alle glücklich sind“. Wie bitte? In Bremen besaß der Mann noch eine festere Realitätsverhaftung.
Womöglich aber wäre er besser fertig geworden mit der kickenden Comicfigur, welche von der Münchner Südkurve schlicht in „schwuler Mario“ umgetauft wurde: Mario Basler jedenfalls mußte die Samstagschicht nach 32 Minuten auf Geheiß seines Vorgesetzten beenden. Arbeitsverweigerung wird der Grund gewesen sein, Aad de Mos mochte das nicht weiter präzisieren. Basler ist es eh Wurscht, weil für ihn der Übungsleiter offenbar genausowenig ein kompetenter Ansprechpartner ist wie Manager Willi Lemke. Null- Bock-Mario will nur noch mit dem Präsidenten sprechen, weil er nach seiner Auswechslung („eine Ohrfeige“) ganz furchtbar sauer war auf die mittlere Führungsebene. Er wisse wohl, sagte Basler, daß Trainer und Manager, die ihn angeblich längst hätten verkaufen können, am längeren Hebel sitzen. Dennoch kündigte der Mittelfeldmann an, er wolle sich solcherlei Behandlung „nicht gefallen lassen“, was eine gewisse gedankliche Inkongruenz darstellt.
Auch Lothar Matthäus wird das Basler-Ballyhoo vermutlich ein wenig vergrimmt zur Kenntnis genommen haben: Stiehlt ihm der doch glatt die Comeback-Show. Andererseits, wer weiß: Vielleicht mag gerade auch die verbale Zurückhaltung Matthäus' tieferen Sinn haben? Schließlich ist nach der großen Aussprache das Bayern-Gebot der kommenden Wochen: Nicht reden, handeln! Da kommt eine große und schwierige Aufgabe auf manchen Münchner zu. „Die Mannschaft muß sich selbst aus dem Sumpf ziehen“, sagt zwar Lothar Matthäus. Doch darf man getrost vermuten: Wenn man ihn läßt, wird er kräftig mitziehen.
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