: Sarajevo soll geteilt werden
■ Die USA üben massiven Druck auf die bosnische Regierung aus. „Friedensabkommen“ fast fertiggestellt
Genf (taz) – Mit massivem Druck besonders auf die bosnische Regierung haben die USA am Wochenende versucht, bei den Friedensverhandlungen im US- amerikanischen Dayton ein Abkommen zu erzwingen. Bosniens Außenminister Muhamed Sacirbey schloß die Paraphierung eines Abkommens noch am Sonntag, spätestens aber heute, nicht aus. Aus Unzufriedenheit über den Verhandlungsverlauf kündigte er seinen Rücktritt an.
Nach den jüngsten Vorschlägen der internationalen Vermittler soll die bosnische Hauptstadt Sarajevo auf dem Papier zwar nicht geteilt werden. Vorgesehen ist jedoch eine Gliederung in zehn „autonome Bezirke“. Die Serben werden demnach in dreien oder vieren dieser Bezirke die Verwaltung stellen. Diese sind weitgehend identisch mit den derzeit von den Milizen Karadžićs kontrollierten Stadtgebieten und machen insgesamt rund ein Drittel Sarajevos aus. Diese Regelung würde nicht nur nach Einschätzung von Außenminister Sacirbey auf die Zweiteilung der bosnischen Hauptstadt hinauslaufen.
Von den im September und Oktober zurückeroberten Gebieten in Nordwestbosnien soll die bosnische Regierung zumindest die Stadt Mrkonjić Grad an die Serben zurückgeben. Für die Verbindung zwischen Sarajevo und der ostbosnischen Muslimenklave Goražde sehen die Vermittlervorschläge lediglich eine schmale, schwer zu sichernde Landverbindung vor. Die Serben sollen hingegen den derzeit von ihnen kontrollierten, rund drei Kilometer breiten Ost-West-Landkorridor in der nordbosnischen Posavina-Ebene bei Brčko, der ihre an Serbien angrenzenden Gebiete in Ostbosnien mit der Region Banja Luka verbindet, nicht nur behalten, sondern auch verbreitern dürfen. Aus Protest gegen diesen Vorschlag erklärten zwei bosnisch-kroatische Politiker – Justizminister Mate Tadić sowie der Präsident der muslimisch-kroatischen Föderation, Krešimir Zubak – ihren Rücktritt. In einem von Vertretern acht kroatischer Parteien unterzeichneten Schreiben forderte Tadić die Delegationen Bosniens und Kroatiens in Dayton auf, die Verhandlungen zu verlassen, wenn sie zur Teilung Bosniens gezwungen würden.
Am Wochenende hatte vor allem US- Außenminister Warren Christopher Druck auf den bosnischen Präsidenten Alija Izetbegović ausgeübt. Aber auch Bundeskanzler Helmut Kohl übermittelte aus Ho-Chi-Minh-Stadt eine „mündliche Nachricht“ an Izetbegović.
Neben Verfassungsdetails sowie den Vorbedingungen und Modalitäten für künftige Wahlen war bis gestern in Dayton allerdings weiterhin ungeklärt, ob und wann Serbenführer Radovan Karadžić und sein militärischer Oberbefehlshaber Ratko Mladić an das Internationale Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ausgeliefert werden. Diplomaten der an den Dayton-Verhandlungen beteiligten Staaten schlossen nicht aus, daß diese und andere Fragen zunächst aus einem Abkommen ausgeklammert bleiben und auf Folgeverhandlungen verschoben werden. Ungewiß ist inzwischen aber auch das Zustandekommen der internationalen Friedenstruppe für Bosnien. Am Freitag hatte das US-Repräsentantenhaus beschlossen, kein Geld für die amerikanische Beteiligung daran zu bewilligen, falls Präsident Clinton die Soldaten ohne Zustimmung des Kongresses auf den Balkan schicken sollte. Andreas Zumach Seite 11
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen