Rap aus Downtown Gröpelingen

■ Das MIB-Geburtstags-Festival zeigte Bremens lebendige Jazzszene: Bebop, Rap und türkisches Liedgut nebst Hommágen an die Ära Duke Ellington

Es waren vor allem Jazzer mit einem Hang zum guten, alten Bop, die vor 20 Jahren die MusikerInnen im Lande Bremen zusammentrommelten. Es bopt noch immer in der MIB, der MusikerInnen-Initiative Bremen: Beim Jubiläums-Festival am Wochenende waren die eher traditionellen Jazzstile ebenso zu hören wie neue, experimentelle Töne – nicht nur aus dem Jazz. Türkische Volkslieder, Gerapptes auf französisch und experimenteller Hardcore mischten sich drei Tage lang mit freien Jazzpassagen. Aber auch die Klassiker wie der Ellington-Arrangeur Billy Strayhorn wurden hochgehalten – von den Gründervätern wie von der jüngeren MIB-Garde.

Zum Auftakt boten Sängerin Sophie Schulze und Pianist Jens Schöwing, beide Mitglieder der aufgelösten bremischen Turk-Popgruppe „Iki Dünya“, türkische Lieder und stilistisch eng daran angelehnte Eigenkompositionen. Sängerin Schulze verstand es ausgezeichnet, die schwermütige Grundstimmung und das gewisse Pathos der Lieder zu entfalten, den typischen Wechsel von heller Mädchenstimme zum angerauhten Timbre in den melancholischen Passagen. Schöwing hielt sich in seinem Pianospiel weitgehend an die traditionelle Spielweise, nur ab und zu tauchten leicht jazzige Phasierungen auf. Die klare, helle Stimme von Schulze bewegte sich überzeugend präsent über den charakteristischen Ackordfolgen des Pianos mit den für die orientalische Musik so kennzeichnenden, leicht schwankenden Tonmodulationen.

Mitreißenden Fusionjazz mit Pop-Appeal bot danach Cacadu Crime. Live geht die Gruppe etwas rauher zur Sache, Gitarrist Mike Klagge ließ das gute, alte Wahwah wiederaufleben und lieferte wilde Gitarrensoli. Er und die präsent blasende Saxophonistin Sabine Diepenbruck, haben die meisten Stücke geschrieben. Beide haben ein Händchen für melodisch eingängige und dennoch nicht glatte Melodien.

Höhepunkte des zweiten Abends waren zwei völlig gegensätzliche Sets. Die China Pig Love Divers verknüpften berstende, freie Hardcore-Sounds mit Rap. André Szigethy schuf mit seinem Korg-Synthesizer düstere Soundwälle oder klirrende Cluster, zu denen Reinhard Schiemann drängende Rhythmen trommelte. In dieses Brodeln warf Uli Sobotta knappe Melodiefragmente vom Euphonium ein. Dazu rappte die gerade achtzehnjährige „Lady Ray“ ihre französischen Texte. Die Tochter türkischer MigrantInnen handelt in ihren Rap-Poems Gefühle und Erfahrungen der hier aufgewachsenen Kinder von EinwanderInnen ab. Es war schon witzig, französisch Gerapptes über das „Straßenleben“ in Gröpelingen zu hören. Zwischendrin stieg Gitarrist Rolf Kirschbaum als special guest ein. Er steuerte Einwürfe a la Arto Lindsay bei. Das ungewöhnliche Projekt sorgte für Begeisterung und wird hoffentlich noch öfter zu hören sein.

Eine ganz andere Stimmung brachten anschließend Dietmar Kirstein (p) und Eckhard Petri (reeds) auf die Bühne. Die beiden Musiker zeichnen mit ihrem Programm „Passion Flower“ ein einfühlsames Portrait des Ellington-Arrangeurs und Komponisten Billy Strayhorn. Strayhorn schrieb viele der bekanntesten Stücke des Ellington Orchesters, u.a. die Erkennungsmelodie der Band, „Take the A-Train“, oder „Chelsea Bridge“. Im Wechsel von eindrucksvoll vorgetragenen Textpassagen (von und über Strayhorn) und Kompositionen Strayhorns vermitteln sie ein lebendiges Bild des Mannes, der sein Leben lang im Schatten des Duke stand. In ihren Arrangements greifen sie die Stimmung der vorhergehenden Texte großartig auf. Der letzte Abend des Festivals begann mit der Gruppe Rushok. Die Band bewegte sich im kurzen Eck von Free, Noise und Hardcore, dazu gabs angestrengt bedeutungsschwere Texte, teilweise im düsteren Sprachduktus von Laibach vorgetragen. Dann begaben sich Axel Dörner (tp), Uwe Oberg (p) und Hainer Wörmann (g) improvisierend auf Klangsuche ins weite Niemandsland der Geräusche zwischen Quietschen, Klötern und Blubbern und knüpften mal dichte, mal äußerst lose Tonverbindungen.

Zum versöhnlichen Abschluß fanden sich vier der Gründungsmitglieder der MIB auf der Bühne ein. Ed Kröger (tb), Heinz Wendel (p), der eigens aus Berlin angereiste Sigi Busch (b) und Harold Smith (dr) gestalteten einen ordentlich swingenden Ausklang mit Traditionsbewußtsein. Die Stücke zwischen Swing und Bop boten den Beteiligten reichlich Gelegenheit für beeindruckende Soli. Höhepunkt aber war die „Easy livin'“-Version mit einer wunderschönen Gesangseinlage von Drummer Smith. Insgesamt ein mehr als gelungenes Festival, das die wichtige Rolle der MIB im Bremer Musikleben unterstrich und erfreulicherweise an allen drei Tagen gut besucht war. Arnaud

Kirstein & Petri sind mit ihrem Strayhorn-Programm wieder am 24./25.11. und am 8./9.12. um 22.45 Uhr im Jungen Theater zu hören