: Parameter für die Integration ist der Friedensprozeß
■ Arabische Mittelmeer-Anrainer hoffen auf Zugang zum europäischen Markt
Der Trend geht auch an der arabischen Welt südlich und östlich des Mittelmeeres nicht vorüber. Längst werden hier – und nicht erst seit der bevorstehenden Mittelmeerkonferenz in Barcelona – die Möglichkeiten der wirtschaftlichen Integration diskutiert. Frage ist nur: Integration mit wem?
In den Zeiten des arabischen Nationalismus schien die Antwort klar. Ein großer arabischer Wirtschaftsblock aus Petrodollars und einem unerschöpflichen Reservoir an billigen Arbeitskräften sollte der Region in Zukunft mehr Gewicht verleihen. Allerdings haben auch die mehr als 60 derzeit existierenden pan- und interarabischen Institutionen diesen Prozeß bisher keinen Schritt weiter gebracht. Der Anteil des Handels innerhalb der Region beträgt nicht mehr als acht Prozent des gesamten arabischen Handelsvolumens.
Nach dem Golfkrieg puschten die USA und Israel ihre eigene Version eines nahöstlichen Marktes. Ihren bisherigen Höhepunkt erreichte dies auf dem Wirtschaftsgipfel für Nahost und Nordafrika in der jordanischen Hauptstadt Amman im letzten Monat. Bisher wurde an konkreten Projekten jedoch wenig erreicht. So zeigt sich das größte arabische Land, Ägypten, zurückhaltend, solange sich eine Lösung im israelisch-arabischen Konflikt nicht abzeichnet. Syrien und der Libanon boykottierten den Gipfel gar: es könne keine wirtschaftliche Normalisierung geben, solange Israel die syrischen Golanhöhen und den Südlibanon besetzt hält.
In Barcelona werden sich erstmals Syrien, der Libanon und Israel miteinander über die wirtschaftliche Zukunft der Region unterhalten. Für die syrische Regierung war die Teilnahme an der Konferenz eine strategische Entscheidung: Hätte Damaskus diese Konferenz erneut boykottiert, hätte Syrien sich aus der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Europa ausgeschlossen. Zentraler Punkt war für Damaskus nicht die Zusammenarbeit mit Israel, sondern ein möglicher Zugang zum europäischen Markt. Damit haben die Europäer mit ihrem Mittelmeer-Projekt gegenüber den USA Punkte gesammelt. Für die EU ist die Mittelmeerkonferenz ein erneuter Versuch, im Nahen Osten auch politisch Fuß zu fassen, nachdem es den USA gelungen war, die Europäer aus dem Friedensprozeß fast vollständig auszuschließen. Ein Ziel, das auch im Interesse der arabischen Regierungen liegt, denn sie erhoffen sich von Europa eine ausgeglichenere Politik.
Ökonomisch gesehen steht die Freihandelszone Mittelmeer allerdings immer noch genauso in den Sternen wie der nahöstliche Markt – zu ungleich sind die Partner. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen der nördlichen Mittelmeerländer ist zwölfmal höher als das der Länder im Süden. Tendenz bei zunehmendem Bevölkerungswachstum: steigend. Und was die Investitionen aus dem Norden angeht, ist man wohl ebenfalls skeptisch. Die gingen bisher meist nach Osteuropa. In den ersten zwei Jahren nach der wirtschaftlichen Liberalisierung erhielten Polen, die damalige Tschechoslowakei und Ungarn genausoviel Investitionen aus Westeuropa wie die gesamte arabische Welt zusammen seit dem Zweiten Weltkrieg. Karim El-Gawhary, Kairo
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