: „Gegebenenfalls in Deutschland vernichtet“
■ Josef Straus ist Professor am Max-Planck-Institut für internationales Patentrecht
taz: Welche Bedeutung haben eigentlich die Entscheidungen des Europäischen Patentamtes?
Josef Straus: Das EPA arbeitet auf der Grundlage eines Übereinkommens, dem mittlerweile alle EU-Staaten angehören. Das heißt, daß in einem zentralen Verfahren eine Patentanmeldung für alle die Staaten erfolgt, die in dem Antrag aufgeführt sind. Ein einmal erteiltes europäisches Patent teilt sich dann auf in Patente mit nationaler Wirkung. Die Praxis dieses Amtes hat also auch Auswirkungen für Deutschland.
Das Krebsmauspatent wäre dann auch bei uns gültig?
Noch ist das Patent nicht endgültig erteilt. Das Verfahren beim EPA kann sich über sehr viele Jahre hinziehen. Wie es jetzt in München der Fall ist.
Angenommen das europäische Patent für die Krebsmaus wird erteilt. Wer kann dann noch klagen?
Jeder kann in Deutschland vor dem Bundespatentgericht auf Nichtigkeit des Patents klagen. Er kann sagen, die Erfindung ist nicht neu gewesen, ist nicht erfinderisch, ist nicht gewerblich anwendbar oder daß die Verwertung dieser Erfindung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstößt. Das muß dann das deutsche Patentgericht oder in der zweiten Instanz der Bundesgerichtshof entscheiden. Dann ist gegebenenfalls das Patent in Deutschland vernichtet, aber nicht europaweit.
Von den Patentgegnern wird kritisiert, daß das EPA mit dem Krebsmauspatent gegen seine eigenen Regelungen verstößt?
Pflanzen und Tiere sind nicht von der Patentierung ausgeschlossen. Tierarten oder Pflanzensorten hingegen schon. Die Frage ist, wie man diese Begriffe interpretiert. Dafür, und das muß man akzeptieren, hat eine Behörde ein Auslegungsrecht. Ob das Amt dabei immer eine glückliche Hand hat, das mag gelegentlich zweifelhaft sein. Das ist aber auch bei anderen Gerichten so. Bei der Krebsmaus geht es zudem um die Frage der öffentlichen Ordnung und guten Sitten. Diese Prüfung sollte nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers nur dann stattfinden, wenn die Verwertung einer Erfindung eigentlich verboten ist. Wenn etwas verwertet werden darf, dann ist diese Frage unnötig.
Patente können vom Patentamt erteilt werden, und ihre Anwendung dennoch gesetzlich verboten werden. Was geschieht, wenn die Anwendung absehbar bei uns verboten wird, während sie in den anderen EU-Staaten erlaubt wird?
Auch da könnte man sich vorstellen, daß das EPA ein solches Patent erteilt. Dann könnten die, die sich darüber aufregen, in Deutschland auf die Nichtigkeit des Patents klagen. Interview: Wolfgang Löhr
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