: Schläge vom Vermieter
■ Behauptet der Mieter / Polizisten sahen zu, Staatsanwältin Zippel stellte das Verfahren ein Von Marco Carini
Den dritten Juli des vergangenen Jahres wird André Andes so schnell nicht vergessen: „Ich wurde von dem Sohn meiner Vermieterin und vier Helfern aus der Wohnung geprügelt“, erinnert sich der 35jährige Kunsthändler. Besonders pikant auch ein anderer Vorwurf: „Ich habe die Polizei zu Hilfe gerufen, doch die Beamten haben nur tatenlos zugeschaut.“ Doch das Ermittlungsverfahren gegen die untätigen Polizisten wegen unterlassener Hilfeleistung wurden von Oberstaatsanwältin Marion Zippel Anfang diesen Jahres eingestellt.
Zippel – die wegen zahlreicher Verfahrenseinstellungen bei Polizeistraftaten umstritten ist – begründete die Schließung der Ermittlungsakten unter anderem damit, daß die Prellungen, Nasen- und Zahnverletzungen, die Andes davontrug, „nicht so erheblich“ gewesen wären, „daß sie aufgrund drohender weiterer Schäden eine Hilfeleistung durch die Beschuldigten erforderten“. Das Prügel-Opfer wäre fähig gewesen, „auch selbst jederzeit“ einen Krankenwagen zu rufen.
Auch eine „Strafvereitelung im Amt“ sei den Polizisten nicht nachzuweisen. Obwohl ihnen bekannt gewesen sei, daß Andes die Polizei um Hilfe gerufen hatte, seien sie davon ausgegangen, „daß André A. der Angreifer war“, die anderen fünf Männer hingegen „in Notwehr bzw. Nothilfe gehandelt hätten“.
Andes hatte die Polizei telefonisch alarmiert, nachdem Roman O., der Sohn seiner Vermieterin, am 3. Juli unangekündigt in seiner Wohngemeinschaft am Lokstedter Damm aufgetaucht war und nach Darstellung des Franzosen in agressivem Ton die Herausgabe von Zimmer- und Haustürschlüssel gefordert hatte. Denn die Haus-Besitzerin Anneliese O. hatte Andes am 7. Mai zwar eine unbefristete Mietbescheinigung ausgestellt, diese aber am Tag darauf eigenmächtig in eine nur bis Juni gültige „Wohnerlaubnis“ abändert.
Nachdem Andes die Polizei angefordert hatte, hätten O. und vier weitere Männer ihm den Weg verstellt und „auf mich eingeprügelt“. Der Franzose berichtet von Faustschlägen und Fußtritten auf den gesamten Körper. In dem Moment, in dem es Andes gelingt, auf ein angrenzendes Flachdach zu fliehen, trifft die von ihm herbeigerufene Polizei ein.
Doch die Beamten hören von O. zunächst eine ganz andere Version des Vorfalls: Andes habe ihn – offensichtlich unter Drogen stehend – angegriffen, behauptet der Vermieter, die anderen Männer seien ihm daraufhin zu Hilfe geeilt. Einer der beiden Beamten soll den blutig geschlagenen Andes daraufhin aufgefordert haben, sofort vom Dach herunterzusteigen.
Als Andes dem Befehl des Beamten folgt, wartet noch einer der Angreifer im Treppenhaus: Erneut soll es Fausthiebe gegen den Franzosen gesetzt haben. Obwohl zumindest einer der Beamten nach Andes' Ausführungen die letzte Prügel-Szene zumindest teilweise mitbekommen haben muß, greift dieser nicht ein.
Doch damit nicht genug: Als Andes anderntags seine Wohnung betreten will, sind die Schlösser ausgewechselt. Einen weiteren Tag später kommt er zwar mit Hilfe eines Gerichtsvollziehers hinein, findet die Wohnung aber leergeräumt vor: Nach seinen Angaben fehlen unter anderem Kunstgegenstände im Wert von über zehntausend Mark, die er bis heute nicht wiedergesehen hat.
Obwohl das Amtsgericht O. verdonnert, Andes wieder in die Wohnung zu lassen, ist dieser zwei Tage später endgültig obdachlos: In seinem Zimmer befinden sich bereits die Möbel eines neuen Mieters. Der Gerichtsbeschluß kann so nicht vollstreckt werden.
„Der Vorfall hat Methode“, meint Jurist Jürgen Twisselmann vom Mieterverein Mieter helfen Mietern: „Herr O. kümmert sich einen Dreck um Mieterrechte und beschimpft seine Mieter schon mal als 'asoziale Parasiten'“. Und auch in seinem Haus in der Altonaer Wohlersallee habe er schon mal einen rechtmäßigen Mieter einfach ausgesperrt und die Wohnung neu vermietet.
Doch im Gerichtsstreit um die Prügel-Szene bleibt O. auf ganzer Linie Sieger. Die Körperverletzungs-Ermittlungen gegen ihn und seinen vermeintlichen Schlägertrupp, dessen Mitglieder sich gegenseitig mit ihren Aussagen entlasten, werden mit der Begründung eingestellt, daß Andes „grundlos“ auf seinen Vermieter und dessen Helfer eingeschlagen habe.
Für Andes' Rechtsanwältin Britta Wahrmann „ein absurdes Urteil“ gegen ihren schmächtigen Mandanten: „Es ist absolut unglaubwürdig, daß er vier Männer angegriffen und verprügelt haben soll.“ Das Fazit der Juristin: „Ich kann verstehen, daß mein Mandant inzwischen nicht mehr an den Rechtsstaat glaubt.“
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