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■ VorlaufErinnerungsarbeit

„Letzte Stunden in Poddembice“, 22.10 Uhr, ZDF.

„Als ich befreit wurde, wußte ich nicht, ob ich traurig oder froh sein sollte“, sagt der 73jährige Abraham Ziegler. Als einziges Familienmitglied konnte er sich 1942 im besetzten Polen der Deportation in ein Vernichtungslager entziehen. Lang ausgestreckt lag er auf einem Dachbalken der Kirche von Poddembice, als die SS-Leute wenige Meter unter ihm die noch fehlenden Juden suchten.

Ein zweiter Mann, Jacob Rosenkranz, saß schon auf dem Lastwagen, sprang wieder hinunter und vergrub sich in der Kirche unter Bauschutt und Dachziegeln. Die Nazi-Schergen stocherten vergeblich mit ihren Bajonetten im Dreck. Vom Leiden der beiden Juden – vor und nach dieser „Sekunde zwischen Leben und Tod“ (Ziegler) – erzählt Hans-Dieter Grabes Dokumentarfilm „Letzte Stunden in Poddembice“.

Die Mainzer bieten damit ein echtes Kontrastprogramm auf dem eigenen Kanal: Hier der tönende Bilanzierer Guido Knopp, der Hitler wort- und bildgewaltig allumfassend zu erklären sucht, dort der leise Beobachter Hans-Dieter Grabe, der mit dem Blick fürs Detail und für die Episode den Irrsinn der Zeit offenlegen will. Ausgangspunkt war, wie in Grabes beiden letzten Filmen, das Tagebuch des deutschen Amtskommissars von Poddembice, das dieser 1961 unter dem Pseudonym Alexander Hohenstein veröffentlichte. Nach „Er nannte sich Hohenstein“ (ZDF, 1994) und „Drei Frauen aus Poddembice“ (3sat, 1995) hat Grabe somit eine Trilogie über die deutsche Besatzung in Polen geschaffen, die leider bislang noch nicht zusammenhängend gezeigt wurde.

In diesem dritten Teil zeigt Grabe noch einmal kurze Ausschnitte aus seinem preisgekrönten „Hohenstein“-Werk, in dem der von den Nazis eingesetzte Bürgermeister auch die „Ausmerzung der Juden von Poddembice“ beschrieb. Tagelang waren fast 3.000 Menschen aus dem Ghetto vor ihrem Abtransport in die Kirche eingesperrt worden. Was „Hohenstein“ nicht wußte, hat Grabe herausgefunden und dokumentiert: Zwei überlebten. Abraham Ziegler lebt heute in Tel Aviv, Jacob Rosenkranz in Antwerpen.Thomas Gehringer

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