Wer sind die Träumer?

■ Bosnien: Prinzipien statt Territorien

Ganz gleich, was noch passiert: Die Friedensverhandlungen in Dayton sind festgefahren. Und das geht auch zu Lasten der Verhandlungsführung der USA. Die US-Diplomatie mußte in Dayton scheitern, weil sie versuchte, Ansprüche und Forderungen zu vereinen, die gegensätzlich und grundsätzlich sind. Wie sollen auch nationalistische Prinzipien, die auf territorialen Gewinn zielen, versöhnt werden mit den Grundwerten einer toleranten und multiethnischen Gesellschaft? Wie soll Mord, Landraub und Vertreibung vereinbar sein mit dem Recht auf Leben, dem Recht auf Eigentum und Heimat, dem Recht schlechthin? Dabei war die US-Politik nach den Ereignissen von Srebrenica schon auf gutem Weg. Sie begann Partei zu ergreifen, die Aktion der Nato wirkte wie ein Befreiungsschlag. Sie schlug sich für die bosnische Gesellschaft. Und das hieß: nicht nur für Muslime oder Kroaten, auch für jene Serben, die unter dem Regime von Verrückten und Größenwahnsinnigen zu leiden haben. Die Aggression wurde wieder beim Namen genannt, nicht „Konfliktparteien“ standen sich gegenüber, sondern „Aggressoren und deren Opfer“, es ging um „Demokratie“ oder „Faschismus“ – auch in bezug auf die von kroatischen Nationalisten beherrschten Gebiete.

Mit dem Verhandlungsprozeß sind diese Kategorien wieder entwertet, sind die Tatsachen wieder auf den Kopf gestellt. Jetzt wird – um des lieben Friedens willen – der Kompromiß mit jenen gesucht, die den Krieg zu verantworten haben. Ist man denn ein Träumer, wenn man von internationaler Seite verlangt, prinzipienfest zu bleiben und an den grundlegenden Menschenrechten festzuhalten? Sind nur jene Realpolitiker, die wie die Verhandler der USA, der Europäer, der UNO oder gar wie viele Vertreter sogenannter Friedensbewegungen Bosnien-Herzegowina in Stücke hacken und nach ethnischen Kriterien aufteilen wollen? Ist dies denn wirklich Realpolitik?

Nein, es sind die Träume jener, die keine Konsequenzen aus dem Geschehen auf dem Balkan ziehen wollen. Die sich scheuen, dem neuen Totalitarismus entgegenzutreten. Realpolitisch richtig dagegen wäre es, mit einer Kraftanstrengung die Herrschaftsstrukturen der Kriegstreiber zu zerstören. Ihre Basis. Wenn nötig auch mit militärischem Druck – die Herrschaft der Täter würde schnell beendet sein. Dann ergäbe sich die Lösung der Probleme am Posavina-Korridor, in und um Sarajevo sowie in Mostar fast von allein ...

Erich Rathfelder