Erzwungener Frieden

■ Das Dayton-Abkommen läßt viele Fragen offen

Clinton hat innenpolitisch einen Sieg errungen. Unter seiner Führung ist der Krieg in Bosnien-Herzegowina beendet worden. Vorläufig jedenfalls. Die Implementierung der Nato-Truppen kann sofort dann beginnen, wenn die Unterschrift unter den Vertrag geleistet ist. Die Schande Europas, der Krieg auf dem Balkan, ist unter US-amerikanischem Druck getilgt worden. Doch auch für jene, die sich angesichts der europäischen Unverantwortlichkeit das Engagement der USA in Bosnien gewünscht haben, bleiben noch einige Fragen offen. Denn die Reaktionen aus Sarajevo sind nicht verheißungsvoll. Die Opfer des Krieges haben vielleicht mehr erwartet als nur vage Andeutungen über den zukünftigen Status ihres Staates. Zwar kündigte Clinton an, Bosnien-Herzegowina werde mit einer gemeinsamen Verfassung ausgestattet bestehenbleiben. Und auch durch die Kompetenzen, mit denen die Zentralregierung ausgestattet sein wird, kann ein Zusammenhalt möglich sein. Doch die Zurückhaltung Clintons, über die strittigen Punkte der territorialen Aufteilung konkrete Hinweise zu geben, zeigt auch, daß noch nicht alles ausgestanden ist: Kein Wort über den Posavina-Korridor, über die Regelung in Sarajevo, über den Status von Goražde.

Die im Vertrag ausdrücklich gestattete Existenz sogenannter Entitäten mit eigener Armee und eigener Polizei greift die über den Krieg gewachsenen Herrschaftsstrukturen jener nicht an, die für den Krieg verantwortlich sind. Und: Welche der Vertriebenen aus Foca oder aus Prijedor könnten es wagen wollen, unter der Herrschaft serbischer Polizisten und der serbischen Armee in ihre Heimatorte zurückzukehren? Oder welche Serben wollten es wagen, in die von bosnischen Kroaten und Muslimen kürzlich eroberten Gebiete wiederzukommen?

Es gehört zu den grundsätzlichen Fehlern der bisherigen Politik der UNO und der europäischen Vermittler, die nationalistischen Kategorien anerkannt zu haben. Auch wenn die USA sich im August – nach dem Massaker von Srebrenica – entschlossen hatten, das Steuer herumzureißen, so haben sie in den Verhandlungen jetzt den Opfern mehr zugemutet als jenen, die den Krieg begonnen haben. Es ist zu hoffen, daß mit der Implementierung von Nato-Truppen in Bosnien Druckmittel zur Verfügung stehen, die ein Modell Haiti – die schrittweise Entmachtung der Nationalisten – möglich machen. Erst dann würde der Weg zu einem dauerhaften Frieden gewiesen. Erich Rathfelder