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Angst vor der Hoffnung

■ Bosnische Flüchtlinge in Bremen bewerten das Friedensabkommen eher skeptisch / Hält der Frieden? Rückkehr in zerstörte oder in besetzte Dörfer?

„Ich habe geweint vor Freude und die ganze Nacht nicht geschlafen“, beschreibt Hava Bahtoviz ihre Reaktion auf das Friedensabkommen für Bosnien, das am Dienstag im amerikanischen Dayton von den Präsidenten Serbiens, Kroatiens und Bosniens beschlossen worden ist. Die 60 Jahre alte Muslimin ist eine von rund 3.000 bosnischen Flüchtlingen, die in Bremen leben.

Ihre Hoffnung auf Rückkehr in die Heimat wird getrübt von der Angst, der Krieg könnte doch wieder aufflammen. „Ich glaube nicht, daß ein Zusammenleben funktioniert, die Muslime und die Serben müssen getrennt werden“, übersetzt ihr Enkel Haris die Meinung von Hava Bahtoviz.

Ihr Mann Saban dagegen ist zuversichtlich, daß das Abkommen Bestand haben wird. Dennoch hält auch er es für besser, zunächst in Bremen „abzuwarten, ob alles ruhig bleibt“, bevor er ernsthaft an Heimkehr denkt.

Ohnehin könnte das ältere Ehepaar, das zusammen mit dem elf Jahre alten Enkel in einer kleinen Wohnung am Buntentorsteinweg lebt, nicht in die eigentliche Heimat zurück: Visegrad sei zu sehr zerstört worden, ein Neuanfang nur in Sarajewo möglich. Dort, so hofft die Familie Bahtoviz, könnte die Mutter von Haris, die sich in Wien aufhält und ihren Sohn und ihre Eltern seit zwei Jahren nicht mehr gesehen hat, Arbeit finden und ihre Angehörigen ernähren.

Im Haus nebenan wohnt Mihana Pitic, eine junge Frau. Sie ist ebenfalls skeptisch, ob ihr größter Wunsch, „nach Hause zu kommen“, bald in Erfüllung geht. Sie ist mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern schon vor mehr als drei Jahren nach Bremen gekommen. Auch ihre Heimatstadt, Modrice, sei stark zerstört, „wir wüßten gar nicht, wohin“. Und selbst wenn sich in absehbarer Zeit eine Rücckehrmöglichkeit böte, sitzt das Mißtrauen gegenüber der Verläßlichkeit der in Dayton getroffenen Vereinbarungen tief. Erst wenn definitiv „alles friedlich ist und keine Menschen mehr umgebracht werden“, könne sie sich ein Leben in Bosnien wieder vorstellen.

Aussichtlos stellt sich für Fatima Dubric die Lage dar. Frieden? Die politischen Vertreter der drei Bürgerkriegsparteien „haben schon so viel versprochen und nicht gehalten“. Fatimas Herkunftsort Odak ist von serbischen Truppen eingenommen und besetzt worden. Nur falls Odak wieder bosnisch werde, gehe sie zurück, erklärt die 35 Jahre alte Frau.

Ähnlich pessimistisch ist Senad Terzic, der nicht wieder in seiner Heimatstadt Pridor leben möchte, solange sie von Serben kontrolliert wird. Das Friedensabkommen bezeichnet der Sechsundreißigjährige als „schlechte Politik“, weil Bosnien darin in eine moslemisch-kroatische und eine serbische Einheit mit jeweils eigenen Armee- und Polizeikräften aufgegliedert wird. „Wir sind europäisch denkende Muslims, wir wollen einen demokratischen Staat für alle“, die Trennung der Ethnien sei falsch und gefährlich, warnt Terzic.

Leise Hoffnung auf ein tatsächliches Ende des Krieges in ihrer Heimat hegen sie alle. „Wir haben ein bißchen gefeiert“, gesteht Mihana Pitic. Sektkorken sind aber nicht geflogen, die Skepsis gegenüber der Friedensvereinbarung für Bosnien überwiegt.

Noch haben die Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien auch Zeit. Nach Auskunft des persönlichen Referenten des Innensenators, Stefan Luft, gibt es bei der Innenbehörde noch keine Überlegungen, den BosnierInnen wegen des Friedensbeschlusses die Aufenthaltserlaubnis zu entziehen und sie zwangsweise nach Hause zu schicken. öps

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