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In Bosnien-Herzegowina wird es einen "ethnisch reinen" serbischen Teilstaat geben. Dennoch gibt es auch Anlaß zur Hoffnung: Die Verfassung und gemeinsame Institutionen wie das Staatspräsidium, das Parlament und die Zentralbank sollen die Re

In Bosnien-Herzegowina wird es einen „ethnisch reinen“ serbischen Teilstaat geben. Dennoch gibt es

auch Anlaß zur Hoffnung:

Die Verfassung und gemeinsame Institutionen wie das Staatspräsidium, das Parlament und die Zentralbank sollen die Regierung in Sarajevo stärken

Dynamik für den Frieden

„Die Einigung“, so erklärte der Parlamentspräsident der „Serbisch-Bosnischen Republik“, Momćilo Krajišnik, „erfüllt nicht mal ein Minimum der Forderungen der bosnischen Serben.“ Und er deutete an, daß die Führung der bosnischen Serben nicht so schnell für den Friedensplan für Bosnien- Herzegowina zu gewinnen sei.

Auch in Sarajevo ist niemand so recht glücklich. Die „gröbsten Fehler“, so schreibt der Chefredakteur von Oslobodjenje, Mehmed Halilović, „konnten von Alija Izetbegović noch abgemildert werden“. Dennoch, die Resultate der Politik der Teilung des Landes und der ethnischen Säuberungen würden prinzipiell akzeptiert.

Halilović hat recht. Es wird einen „ethnisch reinen“ serbischen Staat auf bosnischem Boden geben. Mit eigener Polizei und eigener Armee. Der andere Teilstaat des künftigen Bosnien, die Bosniakisch-Kroatische Föderation, zerfällt wiederum in zwei Teile: in einen bosnischen und einen bosnisch-kroatischen Teil. Beide dieser Untergliederungen verfügen über eigenständige Armeen und Polizeiformationen. Dieser Zustand soll sich nun ändern. Denn in Dayton wurde festgelegt, daß diese Einheiten im Laufe der nächsten Monate vereinigt werden sollen.

Doch Halilović hat auch Hoffnung. Er sieht in dem Waffenstillstand die Voraussetzung dafür, daß die Dinge sich entwickeln können. „Jetzt kommt es auf die Dynamik an, vielleicht wird über den Mechanismus des Friedens auch grundsätzlich etwas für die Menschen verändert“, erklärt Zlatko Lagumdzija, der Vizepräsident der Sozialdemokratischen Partei in Sarajevo. „Karadžić und diese Leute brauchen den Krieg, um ihre Herrschaft zu stabilisieren. Ohne Krieg sind sie bald weg vom Fenster.“

Fromme Wünsche? Oder gibt der Vertrag auch Anlaß zum Optimismus?

Da ist zunächst einmal die Verfassung. Das Staatspräsidium wird wie vor dem Krieg aus je drei Vertretern der Volksgruppen bestehen. Es wird ein gemeinsames Parlament geben. Die Wahlen wurden für das nächste Jahr angesetzt. Und sie werden international überwacht. „Schon jetzt bereiten sich unsere Parteifreunde im serbischen Gebiet auf die Gründung der Liberalen Partei Bosnien-Herzegowinas vor“, sagt Kljelja Balta, die Vizepräsidentin der Partei. Auch die Sozialdemokraten sitzen schon in den Startlöchern.

Der Zentralstaat wird die Außenpolitik, den Außenhandel und die Geldpolitik steuern. Über die Zentralbank werden auch die internationalen Gelder und Anleihen des vorgesehenen „Marschall- Planes für Bosnien“ in die gemeinsame Wirtschaft fließen. Dies ist ein nicht unerheblicher Machtfaktor für die Zentrale. Enver Basković, der Vizechef der Zentralbank Bosnien-Herzegowinas, sieht in der Bank einen Integrationsfaktor. „12 Milliarden US-Dollar wird der Wiederaufbau kosten, einen Teil der Kosten übernehmen internationale Organisationen wie die Weltbank in Form von Anleihen, der andere Teil wird durch befreundete Staaten aufgebracht.“ Mit dem Geld werde die Privatinitiative im gesamten Bosnien, auch im serbischen Teil, unterstützt. Und die Verantwortlichkeit für die Zollpolitik sichere dem Zentralstaat Rechte zu, die gemeinsamen Grenzen zu kontrollieren. Zumindest theoretisch, meint er.

Können diese Instrumente der Zentralregierung vielleicht wirksam eingesetzt werden, so türmen sich bei der Rückkehr der Vertriebenen die Probleme. Wer will schon in die serbisch kontrollierten Gebiete zurückkehren, wo die gleichen Polizisten und Armeeangehörigen ihren Dienst tun, die an den Vertreibungen beteiligt waren? Auch die Vertriebenen aus den kroatisch kontrollierten Gebieten, seien es Muslime oder Serben, werden sich aus den gleichen Gründen unsicher fühlen.

Und selbst in dem bosnisch kontrollierten, also multi-ethnischen Gebiet wird es zu Schwierigkeiten kommen. Dort sind die muslimischen Vertriebenen aus den anderen Teilen Bosniens konzentriert. In vielen Häusern von Vertriebenen leben nun andere Vertriebene. Nicht alle wollen oder können in ihren Heimatort zurückkehren. Und dann besteht noch das Problem der Flüchtlinge aus Westeuropa, die vermutlich früher oder später zurückgeschickt werden.

Rechtssicherheit herzustellen wäre die Voraussetzung für die Rückgliederung der Flüchtlinge. Eine zu schaffende Bundespolizei müßte in den Teilstaaten wirken können. An eine solche Institution ist bisher nicht gedacht.

Und dennoch kommt Hoffnung auf. „Hauptsache ist, daß ein Prozeß in Gang gesetzt wird“, sagt Boris Tihi, Professor für Ökonomie an der Universität von Sarajevo. Wenn die Rahmenbedingungen für eine Marktwirtschaft geschaffen würden, „werden auch wieder wirtschaftliche Interessen wirksam sein“. Die primitive Logik der Eroberung, des Kampfes um das Terrain, müsse durch die Logik des Marktes abgelöst werden, „und die ist integrativ“.

Erich Rathfelder

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