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Frieden in Bosnien voll entbrannt

■ Friedensabkommen soll schnell umgesetzt werden: UN berät Ende der Sanktionen, Nato bereitet Einsatz vor

Genf (taz) – Mit großem Tempo soll der Frieden in Bosnien vom Papier in die Realität umgesetzt werden. Noch bevor das am Dienstag in Dayton paraphierte Bosnien-Abkommen überhaupt in Kraft getreten ist, hat seine Umsetzung bereits begonnen. Der UNO-Sicherheitsrat beriet gestern über die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen Serbien und die bosnischen Serben. Beraten wurde auch über das Waffenembargo gegen Exjugoslawien, von dem seit Kriegsbeginn vor allem Bosnien-Herzegowina betroffen war. Mit einer Entscheidung des Rates wurde noch für den Abend gerechnet. Nach den eingebrachten Resolutionsentwürfen sollen die Sanktionen gegen Serbien nach Unterzeichnung und Inkrafttreten des Abkommens am 5./6. Dezember in Paris aufgehoben werden. Die Strafmaßnahmen gegen die bosnischen Serben sollen dagegen erst dann wirksam werden, wenn diese ihre Truppen vollständig auf das Gebiet der künftigen serbischen Teilrepublik zurückgezogen haben. Bei Verstößen gegen das Abkommen sollen die Sanktionen wieder in Kraft gesetzt werden können. Das Waffenembargo soll schrittweise aufgehoben werden.

Schon unmittelbar nach der Pariser Unterzeichnungskonferenz soll die Stationierung der 60.000 Mann starken Truppe „Implementation Force“ (IFOR) beginnen. Rund 50.000 Soldaten werden von der Nato gestellt, der Rest unter anderem von islamischen Staaten. Das rund 4.000 Mann starke Kontingent der Bundeswehr wird wegen der noch laufenden Ausbildung erst ab Januar in Kroatien eintreffen. Bis Mitte Dezember will der Bundestag die Teilnahme beschließen. Der SPD-Abgeordnete Karsten Voigt signalisierte gestern die Zustimmung seiner Fraktion zu dem geplanten Beschluß.

US-Präsident Bill Clinton will in einer Fernsehansprache an die Bevölkerung für seine Bosnienpolitik und die Entsendung von rund 20.000 amerikanischen Soldaten auf den Balkan werben. Der US-Truppeneinsatz war bisher im republikanisch beherrschten Kongreß abgelehnt worden. Jetzt kommen aber konziliantere Töne: Der Präsident des Repräsentantenhauses, Newt Gingrich, sagte, man solle „nicht automatisch nein, aber auch nicht automatisch ja sagen“.

Die Friedensvereinbarung ist weltweit mit Erleichterung aufgenommen worden. Zugleich wurde aber darauf hingewiesen, daß noch große Anstrengungen zu seiner Umsetzung notwendig sind. Bosniens Präsident Alija Izetbegović wurde bei seiner Ankunft in Sarajevo begeistert empfangen. UN-Generalsekretär Butros Ghali versprach, die Vereinten Nationen würden alles in ihrer Macht Stehende tun, damit das Leiden ein Ende habe und wieder Normalität in das Leben der Menschen einkehre. Rußlands Präsident Boris Jelzin äußerte sich anerkennend über die Kompromißfähigkeit der Verhandlungspartner. US-Präsident Clinton nannte er einen echten „Kerl“, der alle seine Kräfte eingesetzt hätte.

Aus dem Lager der Karadžić-Serben kamen inzwischen unterschiedliche Reaktionen. Der „Präsident“ des selbsternannten Parlaments in Pale, Krajišnik, lehnte das Abkommen rundweg ab. Die Paraphierung durch den Präsidenten Serbiens, Milošević, sei nicht im Namen der bosnischen Serben erfolgt. Dem widersprach allerdings der „Vizepräsident“ der selbsternannten Serbischen Republik, Koljević, der zur Milošević-Delegation in Dayton gehörte.

Das Abkommen sei „das Beste“, was die bosnischen Serben hätten erreichen können. Koljević, Stellvertreter von Serbenführer Karadžić, wird in Belgrad als dessen Nachfolger gehandelt. Karadžić darf nach dem Abkommen künftig keine politischen Positionen mehr in Bosnien bekleiden, da gegen ihn wie gegen General Mladić Anklagen des Internationalen Kriegsverbrechertribunals vorliegen. Andreas Zumach

Tagesthema Seiten 2/3, Kommentar Seite 10

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