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„Die Senkung der Zinslast durch Entschuldung muß vorgesehen werden“

■ Dr. Wolfgang Schrörs, Wirtschaftspolitiker der CDU, zum Sanierungsprogramms / Investitionsprojekte „nicht durch Diffamierung vorzeitig abschreiben“

taz: Herr Schrörs, So wie es in der derzeitigen Planung der Großen Koalition aussieht, wird die Verschuldung Bremens am Ende der vier Sanierungsjahre, also 1999, um drei oder vier Milliarden höher sein als am Anfang. War das der Erfolg, den Sie Ihrem Finanzsenator Nölle gewünscht haben?

Schrörs: Wir stehen am Beginn einer Legislaturperiode, in der wir uns die gewaltige Aufgabe vorgenommen haben, Bremen finanziell wieder auf gesunde Füße zu stellen. Hierbei wächst dem Finanzsenator eine besondere Aufgabe zu, Dabei hat er unsere volle Unterstützung. Unser gemeinsames Ziel ist es, die Selbständigkeit unseres Landes zu sichern, die vorhandenen Mittel in die Zukunft zu investieren und dafür eine solide finanzielle Basis zu schaffen. Darum heißt die Botschaft: Bremen muß sparen und investieren.

War es nicht Sinn des Sanierungsprogramms, die Schulden zu senken?

Schrörs: Im Rahmen des Sanierungsprogramms für das Land Bremen muß die Senkung der Zinslast durch Entschuldung vorgesehen werden. Gleichrangig ist eine Investitionsquote zu realisieren, die Voraussetzung für eine nachhaltige Erhöhung der Wirtschafts- und Finanzkraft des Landes Bremen ist. Neben der Beseitigung der extremen Haushaltsnotlage Bremens ist es erforderlich, zukunftsorientierte strukturpolitische Maßnahmen für das Land zu ergreifen. Mit Hilfe dieser Strukturpolitik kann die Grundlage für das notwendige wirtschaftliche Wachstum geschaffen werden, um die Wachstumsverluste der Vergangenheit schrittweise zu kompensieren. Es muß eine Wiederannäherung der wirtschaftlichen Gesamtleistung und der Arbeitslosenquote an den Bundesdurchschnitt erreicht werden. Dabei ist es erforderlich, daß wir in Bremen und Bremerhaven neue Arbeitsplätze schaffen und neue Einwohner gewinnen.

Haben Sie nicht der Ampel-Regierung Unfähigkeit vorgeworfen, weil unter ihrer Verantwortung „nur“ 300 Millionen Schuldenabbau geleistet werden kann?

Schrörs: Das ist richtig und diesen Vorwurf halte ich aufrecht. Die Ampel-Regierung hat große Versäumnisse aufzuweisen. Eine echte Aufgabenkritik hat nie stattgefunden und die Ampel hat nie ernsthaft versucht, zu sparen. Damit hat sie Chancen verspielt. Gleichzeitig hat sie versäumt, wirtschafts- und finanzkraftstärkende Investitionen vorzunehmen und hat damit das Ziel, beide Teile des Sanierungsprogramms umzusetzen, nicht erfüllt.

Was sagen Sie dem Finanzplanungsrat demnächst in Bonn, der im vergangenen Jahr mehr Schuldentilgung gefordert hatte, wenn unter Mitverantwortung der CDU das Gegenteil passiert ist?

Schrörs: Alle Gebietskörperschaften des Bundesgebietes müssen 1995/96 gegenüber den bisherigen Planungen von massiven Steuer-Mindereinnahmen ausgehen. Dies gilt auch für Bremen. Neben konjunkturellen Einnahmeausfällen verzeichnen wir auch Mindereinnahmen infolge steuerrechtlicher Korrekturen. Deshalb blieben wir hinter den Erwartungen des geplanten Jahresergebnisses zurück. Dennoch werden wir unsere Sanierungsanstrengungen unvermindert fortsetzen. Dafür ist die Durchführung der Maßnahmen des Investitionssonderprogramms von entscheidender Bedeutung.

Glauben Sie ernsthaft, daß bei der Finanznot in allen Ländern und beim Bund 1997 ein Nachschlag für Bremen verhandelt werden kann?

Schrörs: Die Überprüfungsverhandlungen finden 1997 statt. Bis dahin müssen wir sparsam haushalten sowie wirtschafts- und finanzkraftstärkende Investitionen vornehmen.

Investieren bedeutet doch, für eine letztlich rentable Sache Geld auszugeben. Ist der Hemelinger Tunnel, der ja keinerlei neuen Arbeitsplätze bringt, in diesem Sinne nicht eher eine Altlast?

Es ist richtig, dieses Großprojekt als Altlast früherer Senate zu bezeichnen. Schon Bürgermeister Koschnick hatte Daimler-Benz eine vernünftige Anbindung an die Autobahn versprochen. Bürgermeister Wedemeier hat dieses Versprechen seines Vorgängers innerhalb seiner 10-jährigen Regierungszeit ebenfalls nicht umsetzen können. Wir wollen dieses Versprechen endlich einlösen. Daher haben wir dieses Projekt mit hoher Priorität im Investitionssonderprogramm berücksichtigt.

Spektakuläre Investitionsprojekte, bei denen auch das Land zig Millionen für die Infrastruktur beisteuern wollte, scheinen Pleite-Projekte zu werden. Die Idee Space-Park sucht seit zwei Jahren vergeblich nach Investoren. Wann wird die Idee ad acta gelegt?

Grundsätzlich besteht in Bremen die Tendenz, wichtige Projekte totzureden, ehe sie zur Entfaltung kommen. Der Space Park kann einen wesentlichen Beitrag leisten, den in Bremen seit vielen Jahrzehnten zu wenig ausgeprägten Städtetourismus anzukurbeln und gleichzeitig von der EXPO 2000 zu profitieren, die 20 – 30 Mio. Menschen in den westdeutschen Raum bringen wird. In der Wirtschaftsdeputation ist gerade ein Bericht von Senator Perschau vorgelegt worden, aus dem ersichtlich wird, daß eine überregional bekannte Projektentwicklungsgesellschaft sich dieses Projekts angenommen hat und ein Finanzierungsmodell, das überwiegend auf private Investitionen abzielt, entwickelt. Darüber hinaus ist aus Houston eine hochqualifizierte Managerin für den Aufbau und den Betrieb des Projektes verpflichtet worden. Der Space Park geht also planmäßig voran, zumal die DASA zugesagt hat, den Aufbau und die Vermarktung des Projektes mit aller Intensität zu unterstützen.

Eigentlich sollte der Ocean-Park eine private Investition werden. Aber die Unternehmer, die darauf achten müssen, daß Investitionen sich rentieren, wollen nicht recht ran. Wieviel Subventionen wird Bremen dazuschießen müssen?

Auch hier gilt, ein Projekt nicht durch Diffamierung vorzeitig abzuschreiben. Natürlich haben sich die Bremerhavener ein ehrgeiziges Projekt vorgenommen, um den maritimen Tourismus stärker für Bremerhaven zu gewinnen. Veranstaltungen wie die Sail '95 zeigen, welche Attraktivität Bremerhaven in diesem Bereich aufweist. Daran müssen wir anknüpfen. Das Land Bremen wird seine Möglichkeiten zur Unterstützung dieses Projektes voll ausschöpfen. Priorität hat die private Investition und ein professioneller Betrieb.

Subventionsfall Kongreßzentrum: Gibt es eigentlich eine Controlling-Rechnung über die 120 Millionen Investition Kongreß-Zentrum? Wieviel jährliche Subventionen für Veranstaltungen fließen da hinterher, wie groß ist eigentlich die „Rendite“ dieser Investition für die Bremen?

Das Bremer Congress Centrum hat sich voll bewährt. Schon in relativ kurzer Zeit hat sich Bremen am überregionalen Markt einen festen Platz gesichert. Wie in anderen Kongresstandorten auch geben die Besucher nicht nur für Tagungsgebühren und Hotelübernachtungen ihr Geld aus, sondern nutzen den Einzelhandel und andere Dienstleistungsbereiche. Es ist doch kein Zufall, daß mit dem ersten Jahr der Existenz des Congress Centrums die Übernachtungen in Bremen um mehr als 100.000 angestiegen sind.

Auf welcher Grundlage sollen jetzt zusätzlich 100 oder 150 Millionen für das Messezentrum ausgegeben werden? Prinzip Hoffnung?

Wir wollen den Weg konsequent fortsetzen, Kongresse und Messen – möglichst kombiniert – in Bremen zu organisieren. Die bisher verfügbaren Ausstellungsflächen halten einem überregionalen Vergleich nicht stand. Deshalb wollen wir – wie es die Koalitionsvereinbarung vorsieht – den begrenzten Ausbau der Messekapazitäten durch Neubau einer attraktiven Messehalle realisieren. Alle Fachleute gehen davon aus, daß dieses neue Messeangebot vom Markt voll akzeptiert wird. Dementsprechend werden wir schnellstmöglich eine Entscheidung herbeiführen.

Im übrigen sind die Projekte Space Park, Ocean-Park und Messe-Zentrum Bestandteile einer umfassenden Strategie, den überregionalen Dienstleistungsbereich in Bremen weiter auszubauen. Nur mit gezielter Mittelstandsförderung über Erschließungsmaßnahmen und Technologieförderung und durch neue Dienstleistungsunternehmen lassen sich die möglichen Einbrüche in der Industrie ausgleichen.

Niemand rechnet derzeit ernsthaft in der Bundesrepublik mit einem Aufschung, der Arbeitsplätze schafft. Gute Kaufleute halten sich deshalb zurück mit Investitionen oder machen ausschließ Rationalisierungs-Investitionen. Aber bei den Rationalisierungen, spricht der Reform des Öffentlichen Dienstes tut sich eine Verwaltung schwer. Hat der SKP-Staatsrat Beermann da Konzepte, von denen die Öffentlichkeit bisher nichts weiß?

Für eine effiziente und kostenbewußte Aufgabenerledigung ist die Einführung von neuen, mehr privatwirtschaftlich ausgerichteten Kontroll- und Steuerungselementen in den Verwaltungen unverzichtbar. Wir werden das Leistungsprinzip im öffentlichen Dienst stärker fördern und so die Motivation der Beschäftigten in der Verwaltung zu steigern. Im übrigen verweise ich auf die Koalitionsvereinbarung in der zum Thema Privatisierung, Verwaltungsmodernisierung, Gebäudemanagement und Verselbständigung von Verwaltungseinheiten eine Reihe von Vorschlägen dargelegt sind.

Die SPD tut sich schwer mit den Kürzungen im Bildungs- und Sozialbereich, weil sie sagt: Wenn Bremen als Kommune nicht mehr attraktiv ist für die Menschen, gerade auch für die, die weniger verdienen, dann macht ein Stadtstaat für die Bevölkerung keinen Sinn mehr. Schon heute leben Gutverdienende ja lieber in Niedersachsen im Grünen als im Autogestank an der Neuenlander Straße.

Unser Ziel ist es, Menschen und Unternehmen für Bremen zu gewinnen. Deshalb forcieren wir den Wohnungsbau, ich meine beispielhaft das Programm „Bremer bauen in Bremen“ und schaffen durch die Ausweisung von Gewerbeflächen die Voraussetzungen für die Ansiedlung von Unternehmen in Bremen und Bremerhaven. Eine deutliche Zunahme der Arbeitsplätze und Einwohner setzt die Bereitstellung entsprechender Gewerbe- und Wohnungsbauflächen sowie die Schaffung der erforderlichen Wohnungen in Bremen und Bremerhaven voraus.

Soll der Sparkurs auch für die Kultur gelten? Wollen Sie riskieren, daß eine Sparte des Theaters dicht macht?

Auch der Kulturhaushalt darf nicht von Sparmaßnahmen ausgenommen werden. Für uns ist die Kultur ein wichtiger Standortfaktor. Aber die Kulturschaffenden dürfen nicht nur mit offenen Händen dastehen, sondern müssen über neue Strukturen nachdenken, die zur Einnahmeverbesserung auch außerhalb des öffentlichen Haushaltes beitragen. Ich bin sicher, daß während der kulturpolitischen Fachtagung der CDU-Bürgerschaftsfraktion am kommenden Dienstag dazu Vorschläge entwickelt werden.

Bald ist ein halbes Jahr CDU-Mitverantwortung herum. Ist bisher irgend etwas passiert – wirklich passiert,ich meine nicht Ankündigungen und schöne Reden – das mehr ist als die Fortsetzung der Ampel?

Zunächst gilt es festzustellen, daß die Große Koalition gerade mal vier Monate besteht. Die Koalitionsvereinbarung arbeiten wir Punkt für Punkt ab. Neben vielen Entscheidungen haben wir ISP-Maßnahmen in Höhe von 4,5 Mrd. DM festgelegt, die Errichtung des Wirtschaftsgymnasiums zum Schuljahresbeginn 1996/97 und die Ausweisung der Hemelinger Marsch zum Gewerbegebiet beschlossen.

Wenn die Ampel-Koalition Mißwirtschaft und Verschieben von notwendigen Entscheidunghen, gibt es einen Punkt, an dem die Große mit Entscheidungen weiter gekommen ist?

Als eine der ersten Maßnahmen hat die Große Koalition die Ausweisung der Hemelinger Marsch zur Gewerbefläche beschlossen.

Fragen. K.W.

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