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Verwischte Spuren jüdischen Lebens

■ Die Ausstellung „Jüdische Orte in Berlin“ erzählt verdrängte Geschichte

Zionskirchstraße 4 – Eine Gedenktafel erinnert an die ehemaligen Bewohner des Hauses: „Am 27. März 1943 wurde die jüdische Familie Betty Hirsch, geborene Kaatz, und ihre beiden Kinder Inge und Horst aus diesem Haus von der Gestapo abgeholt und von den Faschisten ermordet.“ Das Bild dieser Gedenktafel ist eine von 39 ausgewählten Fotografien, die ab heute in der Ausstellung „Jüdische Orte in Berlin“ in der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Mitte zu sehen sind.

Die Ausstellung will an die zerstörten und verschwundenen Plätze des jüdischen Berlins erinnern: „Jüdisches Leben konnte man im Berlin der zwanziger Jahre überall finden“, heißt es im Begleittext. „Standorte von großen Synagogen, Anschriften kleiner Betstuben, Wohnorte prominenter jüdischer Berliner, Fabriken, Theater, Galerien, Ateliers. Was den Zerstörungs- und Vernichtungswahn der Nationalsozialisten überstand, kam – in Ost und West gleichermaßen – in den fünfziger und sechziger Jahren unter die Abrißbirne. Viele Orte lassen nicht einmal mehr erahnen, daß sie einmal Zentren jüdischen Lebens waren.“

Erzählt werden die kleinen Geschichten. Nicht die großen Denkmäler stehen im Vordergrund, sondern das Erinnern an das Schicksal einzelner Menschen. Die Fotografin Elke Nord hat gemeinsam mit dem Intendanten der Berliner Festspiele, Ulrich Eckhardt, und dem künstlerischen Leiter der Jüdischen Kulturtage, Andreas Nachama, fast 900 Orte ehemaligen jüdischen Lebens in Berlin aufgesucht. Zwei Jahre dauerte die Reise auf den Spuren jüdischen Lebens in Berlin. Im Januar wird ein Bildband erscheinen, der eine Auswahl von rund 400 Fotografien zeigt. Die Ausstellung sei somit auch ein Vorausblick, eine Art „Preview“ auf das größere Buch- Projekt, so Hermann Simon vom Centrum Judaicum.

Die Ausstellung präsentiert sich in einem wunderbaren Ambiente: und zwar im Glanzstück der wiederhergestellten Neuen Synagoge – dem Repräsentantensaal, der erstmals mit dieser kleinen Exposition der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Eine wirkliche Rarität, die dieser Ausstellung beigegeben wurde, ist ein Toravorhang aus dem Besitz der Familie Mendelssohn. Der verschollen geglaubte Toravorhang tauchte nach der Veröffentlichung einer Fotografie in Amerika wieder auf. Und konnte jetzt für diese Ausstellung ausgeliehen werden. Michaela Eck

Die Ausstellung: Centrum Judaicum, Oranienburger Str. 30, 10117 Berlin. Öffnungszeiten: So.–Do. 10–18 Uhr, Fr. 10–14 Uhr.

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