Illegales Medizinlabor im Hotelkeller entdeckt

■ Chefpathologe des Krankenhauses Neukölln abberufen. Polizei durchsucht nach Diebstahlverdacht Labor der Ehefrau

Die Durchsuchung endete mit einer Überraschung. Als die Polizei am Montag abend vergangener Woche zwei Souterrainräume des Hotels „Esprit“ in Britz aufbrach, entdeckte sie ein komplettes pathologisches Labor. „Da standen in Paraffin eingelegte Präparate herum, die dort auch geschnitten und analysiert wurden“, schilderte Volker Gernhardt, Personalratsvorsitzender am Krankenhaus Neukölln, der bei der Durchsuchung anwesend war. Außerdem hätten dort „relativ ungeschützt giftige und explosive Substanzen“ gestanden, darunter Xylol und mehrere Kanister des leichtentflammbaren Äthanols.

Nachdem die Polizei die Räume zunächst versiegelt hatte, wurden sie später wieder freigegeben. Näheres war mit Hinweis auf die laufenden Ermittlungen nicht zu erfahren. Gemietet hat die Räume von Mitte September bis Ende Dezember die frühere Oberärztin der Pathologischen Abteilung am Krankenhaus Neukölln, Mona Tawfik. Diese erklärte auf Anfrage der taz, sie betreibe in den Räumen eine pathologische Praxis. Wie der Neuköllner Bezirksbürgermeister Hans-Dieter Mey (CDU) mitteilte, ist die gewerbliche Nutzung der Räume jedoch nicht angemeldet. Dies sei eine Ordnungswidrigkeit, der das Wirtschaftsamt nachgehen werde.

Der taz-Reporterin, die die Räume gestern früh in Augenschein nahm, schlugen schon im Treppenhaus intensive Chemikaliendämpfe entgegen. „Arztpraxis, Zutritt nur für Mitarbeiter“ stand auf einem Pappschild an der Tür im Souterrain. Zwei Mitarbeiter waren mit Aufräumen beschäftigt.

Der Verdacht, der die Polizei aufgrund einer Anzeige in diese Räume geführt hatte, bestätigte sich allerdings nicht. Tawfik wurde von ehemaligen Kollegen des Krankenhauses Neukölln seit längerem verdächtigt, Materialien und Geräte entwendet zu haben. Für die in den Hotelräumen aufgestellten Geräte konnte Tawfik der Polizei jedoch Kaufbelege von Herstellern vorweisen. Unklar ist gegenwärtig noch die Herkunft von Reagenzien im Wert von mindestens 1.000 Mark. „Die Flaschen trugen das Etikett der Krankenhausapotheke Neukölln“, so Personalrat Gernhardt. Wie die Krankenhausleitung mitteilte, sei es jedoch denkbar, daß Tawfik leere Flaschen aus dem Krankenhaus wiederverwendet habe.

Auch weitere Durchsuchungen im Krankenhaus und in Tawfiks Wohnung konnten den Verdacht nicht erhärten. Ein großes Mikroskop im Wert von 65.000 Mark, dessen Verlust im Krankenhaus vor drei Wochen aufgefallen war, wurde nicht gefunden. Das Mikroskop hatte zuletzt in Tawfiks Büro gestanden. Sie hatte den Verlust bei der Sachbearbeiterin für Versicherungsfragen gemeldet, aber keine Anzeige erstattet. Der Verwaltungsleiter der Klinik, Ditmar Lotzkat, sah darin „kein großes Verschulden“ und stellte sich vor seine frühere Mitarbeiterin.

Mona Tawfik hatte vor einigen Wochen ihre Kündigung eingereicht, nachdem die Krankenhausleitung ihre Pläne abgelehnt hatte, sich in der Klinik mit einer Praxis niederzulassen. Zwischen der Krankenhausleitung und dem Chefarzt der Pathologie, der mit Tawfik verheiratet ist und ihre Pläne unterstützte, kam es deshalb zu Meinungsverschiedenheiten. Weil das Vertrauensverhältnis gestört sei, berief die Krankenhauskonferenz Tawfiks Ehemann Krause am vergangenen Mittwoch mit sofortiger Wirkung als Chefarzt ab.

Die pathologischen Abteilungen mehrerer Kliniken waren in der Vergangenheit wegen illegalen Handels mit Hirnhäuten, des Lagerns von Leichen für Bestattungsunternehmen und einer Fotografieerlaubnis bei Sektionen in Verruf geraten. Die Chefpathologen des Urban- und des Friedrichshainer Krankenhauses mußten deshalb ihre Sessel räumen. Dorothee Winden