: Dank Uwe wird nur noch gelächelt
■ Vor dem Pauli-Spiel: Nichts hat sich beim HSV geändert – alles ist anders
Hamburg (taz) – Das Votum wird er erst am Montag bekommen, soviel steht fest. Dann wird gewählt sein, was ebensogut hätte göttlich bestimmt sein können. Denn alle wollen es – die Medien, die Fans und die besseren Kreise auch. In der Geschäftsstelle des Hamburger SV hat sich der Geist Uwe Seelers längst eingenistet: „Geändert hat sich bei uns eigentlich nichts“, sagt trotzdem Rainer- Uwe Krause, Stadionorganisator und graue Eminenz.
Er seufzt zufrieden, als er das sagt und ergänzt: „Und doch ist alles anders geworden.“ Keine zwei Monate ist es her, da wirkte er bestenfalls tapfer, die Telefonistin muffig, der Kartenverkäufer lustlos, angekränkelt durch die schlechten Leistungen der Kicker, seelisch wund durch die öffentliche Meinung.
Nun, da Uwe da ist, flötet es zuckrig durchs Telefon, möchte man verbunden werden. Der Kartenverkäufer lächelt eigentlich nur noch, das Personal überhaupt – glücklich. Rainer- Uwe Krause möchte sich zu keiner Analyse dieses Launenwechsels versteigen, sagt aber sehr unverspannt, daß „Uwe einfach eine tolle Ausstrahlung hat“. Es muß sich um einen akuten Anfall von Lafontainismus handeln, der die Entourage des HSV neuerdings erfüllt: Hat die Mannschaft nicht auch mit Trainer Benno Möhlmann und dem alten Präsidium nur selten verloren? Krause lapidar: „Er hat aber eben nicht gewonnen.“
Uwe, nahbar. Ein HSV-Präsident zum Liebhaben. Uwe auf allen Fernsehen-Kanälen („Wir müssen kämpfen“), Uwe in Redaktionen im Gespräch mit Max Merkel („A Wunder is' passiert“), Uwe am Dienstag an der Basis in einem schlichten Haus der Jugend, auf dem Podium in der Diskussion mit HSV- und FC St. Pauli-Fans („Fairneß zählt“). Letztere gucken neuerdings ein wenig biestig vor Neid – so einer kann erstmals seit 15 Jahren ihre Mythologie gefährden, der Verein mit der besseren Streetcredibility zu sein. Der HSV – ein Sack arroganter Miststücke? Die Klischees geraten in Gefahr: Mit Uwe deutet sich eine Renaissance tiefer HSV-Religiosität an.
Auf dem Trainingsgelände in Ochsenzoll versammelt sich wieder allmorgendlich eine Schar von gut 200 Männern, manche mit Kinderkarren vor sich, in denen sie ihren Nachwuchs an ihr Hobby heranführen. Felix Magath scheucht seine Spieler. Der Mann, der Benno Möhlmann auf dem Trainerposten schleichend beerbt hat, tut sich mit populistischen Maßnahmen hervor: Training nicht mehr um zehn, sondern schon um neun Uhr. Immer wieder müssen sie laufen, sprinten. Die Spieler keuchen, Jörg Albertz, Kapitän durch Magaths Ernennung, flucht, beteuert aber nach einer halben Minute: „Das tut weh, das muß weh tun.“ Ein Fan am Rande nickt dazu: „Es ist wieder ein gutes Gefühl, den HSV im Herzen zu haben.“
Das heutige Spiel im Volksparkstadion ist seit Tagen fast ausverkauft, das war früher nicht so, wenn St. Pauli kam. Die Kontrahenten und ihre Vorstände haben beschlossen, den ideologischen Wert der Partie so niedrig wie möglich zu hängen, Uwe wünscht es so. Uwe hat kürzlich sogar Paulis Präsident Heinz Weisener auf dem Arm gestreichelt.
Gewinnen wolle jeder, sagt Uwe Seeler (59), doch nur darum ginge es, nicht um die Vorherrschaft in Hamburg. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. In Wirklichkeit will er mit dem HSV ganz nach oben. Uwe, sagt sein früherer Flankengeber Charly Dörfel, wolle immer gewinnen, auch wenn er es nicht sage. Manche, wie der Sportstudent Christian Reichert, pochen mit neuem, glühenden HSV-Bewußtsein auf Klärung der Machtverhältnisse und Abstrafung für Pauli: „Wir müssen 6:0 gewinnen.“ Uwe würde es so nicht sagen. Er könnte es nur nachfühlen. Jan Feddersen
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