: 27. Republik wider Willen
■ betr.: 20. Jahrestag des indonesi schen Einmarsches in Ost-Timor
Am 7. Dezember 1995 jährt sich der indonesische Einmarsch in Ost-Timor zum 20. Mal. Von den drastischen Geschehnissen auf der 650 Kilometer nordwestlich der australischen Küste gelegenen Insel nahm und nimmt man hierzulande jedoch kaum Notiz: Eine traurige Tatsache angesichts dessen, daß seit der Invasion etwa 200.000 Ost-Timoresen, was über einem Viertel der ursprünglichen Bevölkerung entspricht, ihr Leben verloren haben.
Das Territorium der nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten Republik Indonesien entspricht dem bis dahin holländischen Kolonialgebiet in Südostasien. Dazu gehörte zwar der Westen Timors, nicht aber Ost-Timor, das unter portugiesischer Kolonialverwaltung stand. Als 1974 das diktatorische Regime in Portugal durch die „Nelkenrevolution“ gestürzt und die Entkolonialisierung der portugiesischen Übersee-Provinzen eingeleitet wurde, sprach sich eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung Ost-Timors dafür aus, gemäß UN-Richtlinien einen unabhängigen Staat zu gründen.
Die Führung der Republik Indonesien war jedoch nicht gewillt, Ost-Timor als unabhängigen Nachbarn zu akzeptieren. Am 7. 12. 1975 landeten indonesische Streitkräfte auf der Insel und begannen einen blutigen Krieg gegen den ost-timoresischen Widerstand, bei dem auch gegen die Zivilbevölkerung rücksichtslos vorgegangen wurde. Folterungen, Vergewaltigungen und Massenhinrichtungen stellten dabei keine Seltenheit dar. [...]
Bis heute zeigt sich die kulturell heterogene Bevölkerung Ost-Timors mit der indonesischen Herrschaft nicht einverstanden, wobei sich der Protest vom bewaffneten Widerstand hin zu politischen Demonstrationen verlagert hat. Die Vereinten Nationen haben die Annexion ebenfalls nicht akzeptiert. Forderungen nach einem Referendum, bei dem die Ost-Timoresen über ihre Zukunft selbst entscheiden könnten, lehnte die Regierung in Jakarta jedoch stets ab.
Die westliche Welt hat zu Indonesien seit Beginn der Ära Suharto (1967) freundschaftliche Beziehungen aufgebaut: Zum Zeitpunkt des Einmarsches in Ost-Timor galt Indonesien als „zuverlässiges Bollwerk gegen den asiatischen Kommunismus“, heute sind die Beziehungen zur Inselrepublik durch ständig wachsende wirtschaftliche Verbindungen gekennzeichnet. Warum hat die einflußreiche westliche Welt jedoch die guten Beziehungen nie zu einem entscheidenden Vorstoß zur Lösung des Konflikts genutzt? Macht sich der Westen nur dann für das Selbstbestimmungsrecht anderer stark, wenn dadurch die eigenen politischen und wirtschaftlichen Interessen nicht gefährdet werden?
Einer Lösung des Ost-Timor- Konflikts, der nicht als eine innere Angelegenheit Indonesiens betrachtet werden sollte, bedarf es dringend. Ein wichtiger Schritt wäre die Gewährung einer weitreichenden Autonomie innerhalb der Republik Indonesien, deren 27. Provinz die Ost-Timoresen mehrheitlich niemals zu sein wünschten. Herwig Slezak, kula e.V.
Gesellschaft für kooperative
Kulturwissenschaft, München
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