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Scheibchenweise in die Multimedia-Welt

■ Bei CD-ROM-Lexika wird immer mehr Speicherplatz für Bildchen verschwendet

Als die ersten CD-ROMs erschienen, staunten sogar Experten über die enorme Speicherkapazität. Ein paar hundert Bücher auf einer so kleinen Scheibe, das waren schon umwerfende Aussichten. Allerdings nur so lange, bis CD-ROMs immer mehr als multimedialer Datenträger verstanden wurden. Doch während ein Foto in einem Buch höchstens den Platz einer Doppelseite einnimmt, braucht ein Foto auf einer CD- ROM den Speicherplatz einiger Hundert Textseiten.

Der ursprüngliche Vorteil der CD-ROM verschwindet nicht nur, er wird auch durch nichts ersetzt. Die meisten CD-ROMs funktionieren sogar immer weniger, je mehr verschiedene Medien eingebaut werden. Trotzdem verkaufen sie sich sehr viel besser als solche CD-ROMs, die ausschließlich gründliche Informationen bieten.

Nur kurz gab es etwa die „LexikoDisc“ von Bertelsmann. Das lag aber weniger daran, daß sie genauso umfangreich war und auch soviel kostete wie ein Brockhaus aus Papier, sondern daran, daß kaum noch jemand ausführliche Texte lesen will: lieber nur ein paar Zeilen, dafür zusätzlich eine Videosequenz.

Etwa wie die „Encarta 95“ von Microsoft, eine Ansammlung von 26.000 Artikeln, acht Stunden Klängen, 8.000 Fotos, 800 Landkarten, Animationen, Videoclips, 60 kurz angerissenen Sprachen, grafisch ganz nett gemacht. Eingebaut ist ein Instrument, das sich Interessenfilter nennt. Man teilt dem Computer ein paar persönliche Vorlieben und Neigungen mit – und schon wird messerscharf gefiltert. Das ist vielleicht nicht schlecht, wenn man erst mal 200 Mark für eine solche „komplette, interaktive Multimedia-Enzyklopädie“ ausgegeben hat und jetzt eben auch etwas damit anfangen will. Aber in ein paar Jahren wird man die „Encarta 95“ wohl eher als frühes Beispiel einer multimedialen Überflußgesellschaft sehen.

Der Rechner sagt, was der Nutzer lernen darf

Microsoft-Chef Bill Gates meint, der Computer solle nicht nur eine Flut von Daten vermitteln, sondern diese hinterher auch filtern. Der Anwender könnte dann wohl noch gewisse Voreinstellungen treffen, aber im Grunde genommen würde der Computer über Wissen und Unwissen seines Anwenders entscheiden.

Gegen so etwas wirkt die CD- ROM des „Bertelsmann Universal-Lexikons“ noch so richtig harmlos. Während man hier allerdings, nach Tausenden und aber Tausenden nur kurz angeschnittenen Themen, plötzlich einen Vortrag von Theodor W. Adorno über Kollektivierungstendenzen der 68er Generation zu hören bekommt, bewegt sich die von Microsoft, Duden, Langenscheidt und Meyer entwickelte „LexiROM“ bereits auf einem durchgehend beachtlichen Niveau. Zwar gibt es auch hier wieder massenhaft Bilder, Videos und Animationen, aber die Kompetenz der drei Traditionsverlage ist überall erkennbar. „LexiROM“ ist praktisch ein ganzes Bücherbord mit hochwertiger Information. Und das wirklich auf Tastendruck. Die Suchfunktion rast mit einer Geschwindigkeit durch die 450.000 Einträge, daß man nur noch staunen kann. Höhepunkt der „LexiROM“ ist allerdings erst der Abschnitt von Langenscheidt. Hier kann man sich die einzelnen Wörter nicht nur in Oxford-Englisch vorsprechen lassen, sondern wahlweise auch noch in schönstem amerikanischen Slang. Keine orakelhafte Lautschrift mehr, gesprochenes statt des geschriebenen Worts.

Eine Heimat-Chronik per Mausklick

Viel ungenutzten oder multimedial verschwendeten Speicherplatz gibt es auch auf den meisten jener CD-ROMs, die ein bestimmtes Interessengebiet abdecken. Ullsteins „Lexikon der Musik“ klingt etwa so wunderbar komplett. In Wirklichkeit geht es fast ausschließlich um klassische Musik. Bertelsmanns „Chronik des 20. Jahrhunderts“ ist ebenfalls nicht besonders tiefschürfend. Aber durch einige technische Feinheiten macht die CD-ROM den Umgang mit der 4 Kilo schweren Buchversion überflüssig. Der Anwender kann die gut 100.000 Einträge zum Beispiel so anordnen, daß daraus ein personalisiertes Produkt entsteht. Etwa eine kleine Chronik der eigenen Stadt. Jürgen Teipel

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