: Selbst sanieren, umsonst wohnen
■ Wohnungsbaugesellschaft Mitte hat kein Geld für Instandsetzung und vergibt 300 Wohnungen an Selbsthelfer
Mit vereinten Kräften wird derzeit in Mitte dem Leerstand zu Leibe gerückt. Über 300 leerstehende Wohnungen sollen nicht von der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM), sondern von den künftigen Mietern instand gesetzt werden. Denn die WBM sieht sich aufgrund der im Vermögensrecht festgeschriebenen Beschränkungen nicht in der Lage, die Instandsetzungskosten in Höhe von 15.000 bis 20.000 Mark aus den Mieteinnahmen der betroffenen Gebäude zu finanzieren. Auf Initiative von Baustadträtin Dorothee Dubrau (Bündnis Mitte) hat sich die WBM deshalb bereit erklärt, diese Wohnungen an renovierfreudige Wohnungssuchende zu vergeben.
Die bereits zu DDR-Zeiten praktizierte Vergabe von „Ausbauwohnungen“ kommt die künftigen Mieter dabei weitaus weniger teuer zu stehen als der Wohnungsbaugesellschaft, die sämtliche Instandsetzungarbeiten an Firmen vergeben müßte. Um den finanziellen Einsatz der Wohnungssuchenden zu entschädigen, bekommen diese 18 Monate Mietfreiheit vertraglich zugesichert. Danach muß jedoch die gesetzlich vorgeschriebene Miete bezahlt werden.
In Mitte stehen nach Angaben von Baustadträtin Dubrau derzeit etwa 1.000 Wohnungen leer, für die konkrete Sanierungsmaßnahmen noch nicht vorgesehen seien. Ursache für diesen vor allem in der Rosenthaler Vorstadt erheblichen Leerstand – hier steht jede vierte Wohnung leer – sind vor allem ungeklärte Eigentumsverhältnisse sowie Instandsetzungskosten, die die Mittel der Wohnungsbaugesellschaft übersteigen. Dazu kommen noch 60 Häuser, bei denen ganze Gebäudeteile leerstehen und deren Sanierung mehrere tausend Mark pro Quadratmeter kosten würden.
Der Geschäftsführer der WBM, Schmidt, hat gestern allerdings vor übertriebenen Hoffnungen an das neue Vergabemodell gewarnt. Derzeit habe der Finanzsenator trotz des politischen Drucks seitens der Bezirksämter und Wohnungsbaugesellschaften noch keine Möglichkeit eröffnet, anfallende Instandsetzungskosten ins Grundbuch einzutragen, um sie später von den künftigen Eigentümern zurückzufordern. Schmidt rechnet statt dessen mit Schadensersatzforderungen der Alteigentümer, da die Wohnungsbaugesellschaften bei ungeklärten Eigentumsverhältnissen gehalten seien, im Sinne der künftigen Eigentümer zu wirtschaften. „Am Ende werden wir wahrscheinlich mit Verlust aus der Sache herausgehen“, so Schmidt. Dennoch habe er sich dem politischen Willen der Baustadträtin gefügt.
Die unkonventionelle Aktion in Mitte, die auch in Prenzlauer Berg Nachahmung gefunden hat, stößt bei den Wohnungssuchenden auf großes Interesse. Über 150 Interessenten finden sich jeden Montag bei der WBM ein, um einen Besichtigungstermin für die wöchentlich angebotenen 10 Ausbauwohnungen zu vereinbaren. Die ersten Wohnungssuchenden stellen sich bereits morgens um 6 Uhr in der Dircksenstraße an. Uwe Rada
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