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Grün maskiert

Auf dem Markt ökologischer Kapitalanlagen versprechen viele Anbieter mehr, als sie halten können / Horror-Liste der Verbraucherschützer  ■ Von Hermannus Pfeiffer

Die Situation auf dem grauen Kapitalmarkt spitzt sich zu: „Täglich kommen zahlreiche Menschen zu uns, die hohe Summen bei unseriösen Firmen verloren haben“, berichtet Volker Pietsch, Leiter der Berliner Verbraucherzentrale. Solche grauen Finanzgeschäfte außerhalb der staatlichen Aufsicht sind „allgegenwärtig und boomen“. Dagegen bietet die Verbraucherzentrale eine Horror-Liste der unseriösen Geldanlagen auf. Insgesamt richte der graue Kapitalmarkt jährlich einen Schaden von vier bis sechs Milliarden Mark an, schätzt das Bundeskriminalamt. Darunter befindet sich auch manche Mark, die ökologisch oder sozial wirken sollte: verlorene Grün-Anlagen.

So tauchte bereits Anfang der neunziger Jahre die Firma „Concorde-Artus Ethische Vermögensverwaltung“ auf der Berliner Horror-Liste auf. Derweil lobte das ARD-Wirtschaftsmagazin „Plusminus“ die Concorde-Artus „als Pionier und Saubermann“, und die FAZ ließ einen der Pioniere, der heute grünfarbene Anlageratgeber publiziert, als Aushängeschild für „Ethisches Investment“ schreiben. Lob fand damals auch der Wiederanlagerabatt für ehemalige Kunden. Ehemalige Kunden gab es dann drei Jahre später mehr als genug: Im November 1993 wurde das Konkursverfahren eröffnet.

Quasi-alternativ- Finanziers

Neben Bluffern, Dilettanten und Betrügern – Kennzeichen: sie versprechen viel Öko, Transparenz und hohe Renditen – segeln manche Quasi-alternativ-Finanziers auf dem Meer der Grün-Anlagen. Beispiel Hanseatische AG (HAG): Ihre Anleger haben nach Angaben der HAG ein stilles Kapital von 214 Millionen Mark eingezahlt. Damit beteiligte sich das „Technologieunternehmen“ an zwölf Kraftwerken im deutschen Osten, „von denen nur noch drei mit Kohlefeuerung betrieben werden“, heißt es im achtseitigen Geschäftsbericht 1994. Helmut Kapferer, Chefredakteur des Gerlach- Reports, hat jedoch seine eigene Interpretation. Für ihn stellt die HAG nur ein Paradebeispiel für „Abzocker-Firmen“ dar. Ebenso warnen Fachleute vor den Produkten der Wabag Wirtschaftsanalyse und Beratung AG, die mit 2.000 Vertretern das bundesdeutsche Land abgrast, sowie vor den Fonds der „Ethischen Aktiengesellschaft (EAG)“. „Das grüne Mäntelchen wird von diesen und anderen schamlos ausgenutzt“, klagt Verbraucherschützer Pietsch. „Bei unrealistischen Renditen von 10 Prozent und mehr sollten die Alarmglocken klingeln!“

Geklagt wird aber auch über Unternehmen auf etablierten und von der Bundesaufsicht beglückten Märkten. Solche Klagen betreffen etwa die in Gründung befindliche Nürnberger Umweltbank. Die Gewinnprognosen scheinen überzogen. Obendrein habe sich die Gründungsgesellschaft und damit die Familie Popp eine ungewöhnliche Teilhabe gesichert, meint die Wirtschaftswoche: Jährlich werde eine Gebühr von 0,02 Prozent der Bilanzsumme fällig. Auch wenn es dabei nur um etwa 20.000 Mark geht, eine solche erfolgsunabhängige Prämie verletze den guten Geschmack der Branche. Georg Hetz von der Umweltbank dementiert: „Die Gebühr wird für Logo und Name gezahlt, und lediglich im Erfolgsfall.“ Irritiert wurde die Grün-Szene auch durch den Rücktritt des gesamten Aufsichtsrates. Für Hetz liegt auch dieser Fall im grünen Bereich: „Im Aufsichtsrat befanden sich zwei Großaktionäre, die – vergeblich – Einfluß auf das Firmenkonzept nehmen wollten.“

Lange Zeit hatte das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen sogenannte Ethik-Fonds abgeblockt. Ethische Grundsätze seien nicht eindeutig zu definieren, hieß es zur Begründung. Erst im Oktober 1990 erhielt dann der „Focus Umwelttechnologiefonds“ den Zuschlag. Er blieb bislang der einzige mit deutscher Zulassung; das runde Dutzend anderer „deutschsprachiger“ Fonds wurde meistens in Luxemburg aufgelegt. Immerhin eindeutig sind die Focus-Kriterien: Mindestens 51 Prozent des Kapitals werden in Aktien von Unternehmen investiert, die mehr als die Hälfte ihres Umsatzes mit Umwelttechnik machen. Focus garantiert seinen Investoren also gerade mal ein ethisches Viertel. Auch dieses ethische Viertel ist nicht klinisch grün: Selbst Umwelttechnologie-Unternehmen arbeiten nicht immer hinreichend ökologisch. Häufig tragen sie lediglich zur Reparatur von Umweltschäden bei und begünstigen damit mittelbar umweltschädliches Verhalten.

Neben Gaunerstreichen und halbleeren Ethik-Versprechen finden wir konventionellen Marketing-Schnickschnack auf einem Markt mit jährlich einigen hundert neuen Produkten. Seit dem Sommer 1994 erlaubt der Europäische Binnenmarkt Versicherungen eine neue Produktvariante, die „Öko- Versicherung“. Eine gute Handvoll Öko-Policen gibt der Markt heute her. Statt offensiver Transparenz werden der Kundschaft allerdings bislang nur Versprechen geboten, die, auf zwei Stellen hinter dem Komma genau, Exaktheit und Verbindlichkeit suggerieren. Tatsächlich können die fettgedruckten Renditen – es steht im Kleingedruckten – nicht garantiert werden. Ein Prozentpunkt weniger aber, und die angepriesenen 495.613 Mark reduzieren sich um über 80.000 Mark.

Ethische Anlagen fördern die Entwicklung

Immer wieder gibt es Verkäufer von Finanzdienstleistungen, die ein gutes Gewissen mit satter Rendite versprechen. Aber „renditeorientierte Geldanlage ist das Gegenteil von ethischem Handeln“, behauptet Stephan Rotthaus von der ältesten Alternativ-Bank in der Bundesrepublik, der GLS Gemeinschaftsbank in Bochum. Insgesamt, so Rotthaus, könne „ethische Geldanlage“ nichts verhindern, denn jede rentierliche Anlage findet auf dem konventionellen Weltmarkt Finanziers. „Aber ethische Geldanlage kann sehr wohl bestimmte gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen fördern.“

Die „Liste der unseriösen Geldanlage-Angebote“ ist gegen Einsendung eines mit 3 Mark frankierten A4-Umschlages zu beziehen bei: Verbraucherzentrale Berlin, Bayreuther Straße 40, 10787 Berlin.

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