30 Millionen, die niemand vermißt

■ Wie deutsche Entwicklungshilfe für die Elfenbeinküste verschwindet – und in Immobilienform wieder auftaucht

Hamburg (taz) – Niemand soll sagen, die deutschen Steuerzahler kämen nicht auf ihre Kosten, wenn es um die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zur Côte d'Ivoire (Elfenbeinküste) geht. Die „wolkenfreie und stets fruchtbare“ Zusammenarbeit (so der gerade verabschiedete deutsche Botschafter Günter Wasserberg) kann offenbar nichts trüben. Da stört nicht, daß sich Staatschef Henri Konan Bédié im Oktober durch Ausschalten zweier bedeutender Oppositionskandidaten einen 96,4-Prozent-Sieg bei der Präsidentschaftswahl sicherte: Botschafter Wasserberg gratulierte als erster. Da stört auch nicht, daß als Entwicklungshilfe gedachte Millionenbeträge aus Deutschland in privaten Taschen verschwinden.

Angefangen hat alles mit einem Entwicklungshilfeabkommen, das am 2. Juli 1990 in der deutschen Botschaft in Abidjan unterzeichnet wurde. Gemeinsam mit der Weltbank wollte die Bundesregierung ein Strukturanpassungsprogramm für die Landwirtschaft finanzieren. 31,886 Millionen Mark sollte die Elfenbeinküste dafür durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) erhalten.

Für einen Teil des Geldes hatte ein an der Elfenbeinküste lebender Deutscher auch schon ein Projekt vorgeschlagen und auf eigene Kosten vorbereitet: Sein Unternehmen „Exopulpe“ sollte eine Fabrik zur Verarbeitung von Ananas, Bananen und Mangos errichten, die für den direkten Export nicht geeignet sind.

Zwar maulte der lokale Vertreter der für die Umsetzung deutscher Hilfe zuständigen „Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit“ (GTZ), das Geld sei nicht dazu da, deutsche Wirtschaftsinteressen im Staat Elfenbeinküste zu fördern. Aber Exopulpe hatte bessere Kontakte: Das Landwirtschaftsministerium in Abidjan befand am 28. Juni 1991, daß das Projekt Exopulpe sich gut für die Strukturanpassung geeignet sei und „sich perfekt in die Regierungspolitik der Verarbeitung unserer Rohmaterialien und der Förderung des Ananas-Bananen-Sektors einfügt“. Am 2.7.1991 genehmigte das Ministerium, Geld aus dem KfW-Kredit für Exopulpe auszugeben. Der (inzwischen verstorbene) Präsident Félix Houphouät-Boigny verschaffte Exopulpe per Dekret vom 4.9.1991 Zoll- und Steuerprivilegien.

Ein kleines Schlößchen steht auf einem Hügel

Die KfW hatte nun auch keine Bedenken mehr und überwies die knapp 32 Millionen Mark. Exopulpe aber hatte sich zu früh gefreut. Denn das Geld kam dort nie an. Es wurde auch nicht für andere landwirtschaftliche Strukturanpassung ausgegeben. Es war schlicht verschwunden. Der damalige deutsche Botschafter Zimmermann war „indigniert“. Aber zu genau wollte offenbar weder die Botschaft noch die KfW noch die Bundesregierung der Sache nachgehen. Die KfW steht auf dem Standpunkt, der Kredit sei formal korrekt angefordert und abgebucht worden, und die Regierung der Elfenbeinküste sei vertraglich zur Rückzahlung verpflichtet. Alles andere gehe sie nichts an.

Der inzwischen vom neuen Präsidenten Bédié gekippte und zum Regimegegner mutierte Premierminister des Jahres 1991, Alassane Dramane Ouattara, ließ durch einen Agenten vertrauliche Nachforschungen anstellen und noch vertraulicher verbreiten. Das Ergebnis seiner Recherchen: Der aus dem Landwirtschaftsministerium kommende Generaldirektor des Schatzamtes, Koffi Konan Christian, hat in Zusammenspiel mit einem gewissen Monsieur Angama, Inhaber eines hohen Postens in der staatlichen Buchhaltung, das Geld am 31. 3. 1993 abgebucht und verschwinden lassen.

Ganz unsichtbar ist der Schatz allerdings nicht geblieben. In der Nähe Abidjans steht mittlerweile ein kleines Schloß auf einem Hügel. Der Schloßherr heißt Koffi Konan Christian. Wie eine Fata Morgana leuchtet das ChÛteau in einem Fleckchen Regenwald.

Hier mag niemand die Bäume fällen. Im Rest des Landes jedoch wird frenetisch abgeholzt. Allein 1994 sollen rund 2,6 Millionen Kubikmeter Holz geschlagen worden sein. Präfekten, Unterpräfekten und die Forstpolizei schauen weg, wenn die Holzfirmen ihnen vorher ein Geldbündel in die Hand drücken. Am meisten kassiert die staatliche Forstentwicklungsgesellschaft „Sodefor“ beim Holzeinschlag. Die erhält andererseits auch deutsches Geld: als Partner von GTZ und KfW für Wiederaufforstungsprogramme.

Auch die Strukturanpassung in der Landwirtschaft läuft weiter. Bonn hat wieder einmal einen Kredit von rund 30 Millionen Mark dafür vergeben. Weitere deutsche Gelder in der Pipeline kann die Regierung in Abidjan noch nicht abrufen, weil es an Projekten fehlt. Wie wäre es mit einem zweiten Anpassungs-Schlößchen? Eva Maria Dirnhofer