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Polens Wahlverlierer wollen's nicht wahrhaben

■ Lech Walesa mobilisiert seine Anhänger: Hunderttausende fechten die Wahl an

Warschau (taz) – Im obersten Gericht in Warschau stapeln sich die Kisten mit den Protestbriefen. Über 600.000 Polen wollen die Präsidentschaftswahlen anfechten. Bis Donnerstag Mitternacht sind aus dem ganzen Land sowohl Einzelreisende als auch Lastwagen mit Protestbriefen in Warschau eingetroffen. Aleksander Kwaśniewski, der mit rund 650.000 Stimmen Vorsprung als Sieger aus den Präsidentschaftswahlen hervorging, soll – so lautet der Vorwurf – die Wahlen manipuliert haben.

In den offiziellen Wahlbiographien, die auch in den Wahllokalen aushingen, figuriere Kwaśniewski mit einem Diplom der Verkehrsökonomie der Danziger Universität. In Wirklichkeit sei Kwaśniewski, nachdem er die Prüfungen im letzen Studienjahr nicht bestanden habe, exmatrikuliert worden. Etliche Polen stört auch, daß Kwaśniewski in der Vermögenserklärung, die jeder Sejmabgeordnete abzugeben hat, die millionenschweren Aktienpakete seiner Frau unterschlagen hat.

Weniger zahlreich, aber von den rechtlichen Konsequenzen her bedeutsamer, sind die gemeldeten Verstöße gegen die Wahlordnung. Bekannt sind zur Zeit 59 Protestbriefe von Wahlhelfern, die die Mitarbeiter Kwaśniewskis der Wahlfälschung bezichtigen. Manche von ihnen hätten ganze Stöße von Stimmzetteln mit dem Namen Kwaśniewskis in die Urnen geworfen. Gegen mehrere Personen wurde bereits Strafanzeige erstattet. Besonders aufgebracht sind die PolInnen, die am Spätnachmittag oder Abend wählen wollten, ihren Namen auf der Liste aber bereits abgehakt vorfanden und daher nicht mehr abstimmen konnten.

Das oberste Gericht muß nun bis zum 9. Dezember entscheiden, ob die Unregelmäßigkeiten während der Wahlen sich tatsächlich auf das Ergebnis auswirken konnten. Das Urteil des Gerichts ist endgültig und kann dann nicht mehr angefochten werden. Sollte es die Wahlen für ungültig erklären, müßte der Sejmmarschall innerhalb von fünf Tagen einen neuen Wahltermin festlegen, und die ganze Prozedur ginge von vorne los.

Kwaśniewski selbst meint, daß es möglicherweise tatsächlich zu – allerdings unbedeutenden – Unregelmäßigkeiten gekommen sein könnte. Ein hoher Beamter des Justizministeriums, der mit Namen nicht genannt werden wollte, meinte gegenüber der konservativ- liberalen Tageszeitung Rzeczpospolita, daß es weder in der Wahlordnung noch in anderen Gesetzen einen Paragraphen über die Bildung des Präsidentschaftskandidaten gebe. Eine falsche Angabe könne demnach keine rechtlichen Konsequenzen nach sich ziehen. Gabriele Lesser

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