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Gegner des Bosnien-Friedens machen mobil

■ Nach seinem angeblichen Einlenken in Belgrad konferiert Karadžić mit friedensunwilligen bosnischen Serben. Auch einige Kroaten gegen Gebietsaufgabe

Pale/Wien (AP/AFP) – Der bosnische Serbenführer Radovan Karadžić ist gestern in Pale mit Vertretern serbischer Gemeinden zusammengekommen, die der Umsetzung des Friedensabkommens von Dayton den Kampf angesagt haben. Karadžić hatte seinen Widerstand gegen den Friedensplan erst am Donnerstag abend in der serbischen Hauptstadt Belgrad unter massivem Druck des serbischen Präsidenten Slobodan Milošević aufgegeben. Der „Parlamentspräsident“ der bosnischen Serben, Momcilo Krajišnik, hatte seine Kritik dem Vernehmen nach demgegenüber aufrechterhalten. Die Vertreter serbischer Kommunen wie Ilidža und Hadžici, die der Bosniakisch-Kroatischen Föderation zufallen sollen, hatten die Gefechtsbereitschaft ihrer Truppen erhöht und geschworen, eine Rückkehr ihrer Gebiete unter bosnische Kontrolle niemals zuzulassen. Im serbisch gehaltenen Sarajevoer Stadtteil Grbavica wurde für heute eine Demonstration von Studenten „und anderen Patrioten“ gegen das Abkommen von Dayton angekündigt.

Der bosnische Außenminister Mohamed Saćirbey warnte in Den Haag, es werde „weder einen richtigen Frieden noch eine richtige Aussöhnung“ in Bosnien geben, solange gesuchte Kriegsverbrecher nicht an das zuständige UN- Tribunal ausgeliefert würden. Dies galt vor allem Karadžić und Mladić, die bereits von dem Tribunal angeklagt wurden. Die serbische Regierung wäre eigentlich verpflichtet, sie auszuliefern, sobald sie serbischen Boden betreten.

In Westbosnien steckten Kroaten Häuser in Orten in Brand, die unter dem Abkommen wieder den Serben zufallen sollen. Mitarbeiter der Vereinten Nationen berichteten, daß in den westbosnischen Orten Sipovo und Mrkonjić Grad innerhalb 24 Stunden 12 Häuser niedergebrannt worden seien. Die von kroatischen Truppen im September und Oktober eroberte Region soll nach dem Abkommen von Dayton den bosnischen Serben zurückgegeben werden.

Als kritischer Moment für den Frieden werde sich die Abhaltung von Wahlen in beiden Teilen Bosniens sechs bis neun Monate nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens Anfang Dezember erweisen, sagte gestern Österreichs Vizekanzler Wolfgang Schüssel. Er traf gestern in Wien US-Verteidigungsminister William Perry, der danach zu US-Soldaten in Deutschland weiterreiste.

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