: Eine Drogenparty am Ende der Welt Von Ralf Sotscheck
Herrlich beruhigend, wenn sich Regierung und Opposition nicht nur einig sind, daß der Wiederherstellung von „law and order“ Vorrang gebührt, sondern sich auf dem Gebiet der Verbrechenbekämpfung auch noch gegenseitig übertrumpfen wollen. Kaum hatte Tory-Innenminister Michael Howard seinen Phantasien über einen Superknast à la Alcatraz freien Lauf gelassen, da machte sein Labour- Kollege Jack Straw eine gemeingefährliche Gangsterorganisation aus: die „Squeegie Merchants“, die am hellichten Tag operieren. Sie lauern an Ampeln, bewaffnet mit Wassereimer, Schwamm und Gummiwischer, und schlagen bei Rot zu. Im Handumdrehen sind schmutzige Autoscheiben sauber, während die AutofahrerInnen die Gelackmeierten sind. Kurz- und Weitsichtige trauen sich tagsüber kaum noch auf die Straße, monierte Straw, aus Angst, daß ihre Brillen einer Zwangswäsche unterzogen werden könnten.
Die Polizei will angesichts der Anstrengungen der Politiker nicht zurückstehen. So greift sie auch bei Verbrechen erbarmungslos durch, die auf den ersten Blick geringfügig erscheinen. „Ich würde keinen Einsatz herunterspielen“, sagte Sergeant Malcolm Gilbert von der Polizei in Orkney. Seiner Einheit war aufgrund eines anonymen Hinweises auf eine „Drogenparty am Strand“ ein großer Fisch ins Netz gegangen. Der Wermutstropfen: Der Strand lag auf Eday, einer der nördlichsten Orkney-Inseln, 25 Kilometer nördlich von der Hauptinsel – und dem Polizeirevier. Ganz schön raffiniert von der Drogenmafia, sich auf einem winzigen Eiland ohne Polizei, aber mit einem Laden, einem Hilfspostamt und 150 EinwohnerInnen zu verschanzen. Gilbert ließ sich jedoch nicht abschrecken: Mit zwei Kollegen und dem Drogenhund flog er nach Sanday, weil Eday keine Landebahn hat. Auf Sanday mieteten die Inselsheriffs ein kleines Holzboot, ruderten nach Eday hinüber und landeten im Schutz der Dunkelheit am Drogenstrand.
Die verdächtige Gruppe von sieben Erwachsenen und einer ganzen Reihe von Kindern hatte gerade ein Feuer entfacht und begann, tote Tiere zu grillen. Im Nu hatten die drei Beamten und der Hund das Lager umzingelt. Dann durchsuchten sie die Person, die anonym angezeigt worden war – und siehe da, die Drogendealerin hatte die Ware in einer wattierten Weste unter ihrer Jacke versteckt: 1,5 Gramm Cannabis. Geschätzter Marktwert: umgerechnet 18 Mark. Die Täterin, Dorfschullehrerin Sandra Logan (33), wurde flugs nach Kirkwall auf der Hauptinsel gebracht und vor Gericht gestellt. Zwar beteuerte sie, daß die Weste ihrem geschiedenen Mann gehörte, doch das Gericht schenkte ihr keinen Glauben. Urteil: 250 Mark Geldstrafe. Weil das als Vorstrafe gilt, war sie auch gleich ihren Job los. Die zwölf Schulkinder werden jetzt von einer Aushilfskraft unterrichtet, die jeden Tag aus Kirkwall anreist.
Der Steuerbevollmächtigte für die Orkney-Inseln, Keith Adam, räumte ein, daß die ganze Operation ein Vermögen gekostet habe, doch schließlich waren bei der geplanten Drogenparty auch Minderjährige anwesend. Wer weiß, was die Labour Party jetzt ausheckt, um sich von der entschlossenen Orkney-Polizei nicht die Law- and-order-Schau stehlen zu lassen. Vielleicht die öffentliche Auspeitschung illegaler Schuhputzer?
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