: Umstrittener Sachverstand kommt
■ Trotz Kritik an den von der Union geladenen Gästen findet Anhörung im Bundestag zur NS-Militärjustiz morgen statt
Bonn (taz) – Die öffentliche Kritik an den von den Unionsfraktionen benannten Sachverständigen zur Anhörung des Bundestages zur Rehabilitierung und Enschädigung von überlebenden Opfern der NS-Militärjustiz scheint ohne Konsequenzen zu bleiben. Die Anhörung soll nach Auskunft des Rechtsausschußvorsitzenden Horst Eylmann (CDU) „wie vorgesehen“ morgen stattfinden. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hatte am Freitag die Union aufgefordert, ihre Sachverständigen zurückzuziehen, nachdem bekannt geworden war, daß von der Union benannte Experten in Äußerungen das Handeln der NS-Militärjustiz verharmlosen.
So schreibt einer der geladenen Sachverständigen, Generalmajor a. D. und Präsident des Rings Deutscher Soldatenverbände, Jürgen Schreiber, in einem Brief an die Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz 1994: „Es gab keine NS-Militärjustiz. Es gab eine Kriegsgerichtsbarkeit der Deutschen Wehrmacht, die auf rechtsstaatlich nicht zu beanstandenden förmlichen Gesetzen beruhte.“ Und dies, obwohl ihm „das seltsame und in Widerspruch zur gesamten sonstigen Judikatur stehende Urteil des Bundessozialgerichts“ bekannt war. Das Gericht hatte 1992 – zwei Jahre vor Schreibers Brief – als Merkmal der Wehrmachtsjustiz eine „rechtsstaatswidrige Entartung der Todesurteilspraxis“ festgestellt. Die Urteile der NS-Militärgerichte seien als „offensichtliches Unrecht“ zu behandeln.
Ein zweiter Sachverständiger war im Dritten Reich Militärrichter. Im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau fand Orfried Keller kürzlich, daß die Urteile der Wehrmachtsgerichte „abgesehen von einigen Ausnahmen rechtmäßig waren.“ Der dritte Sachverständige, Franz Seidler, von der Bundeswehruniversität in München liegt mit seiner Feststellung, „die Glaubhaftmachung der Entschädigungsansprüche liegt bei den Verurteilten oder deren Angehörigen“, weit hinter der in Bonn schon im Juli gefundenen politischen Mindestforderung. Koalition und Opposition hatten sich damals auf eine pauschale Entschädigung geeinigt, blieben aber über die Frage der pauschalen Rehabilitierung noch uneins.
Horst Eylmann (CDU), der selbst „nicht glücklich ist mit einigen der Äußerungen“ der Sachverständigen, betont: „Man kann keinem Mitglied des Ausschusses unterstellen, daß er sich mit den Aussagen voll oder teilweise identifiziere.“ Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen) fürchtet: „Nachdem wir in den vergangenen Wochen gemeinsam über das Wie einer Entschädigung der noch 300 Überlebenden und Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure gerungen haben, drohen wir hinter diesen Stand zurückzufallen.“ Karin Nink
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