: Monde, Kamele, Pistolen und Schwerter oder: Das Wunder der Frühaufsteher
Ägypten streitet sich nun schon seit Wochen um Kamele, Mondsicheln, Pistolen, Schwerter, Kaffeekannen und Schafe. In einem Land, in dem die Hälfte der Bevölkerung nicht lesen und schreiben kann, bekommen Symbole in der Wahlzeit eine ganz besondere Bedeutung. Über hundert solcher Embleme hat das Innenministerium den Kandidaten zugewiesen. Diese erscheinen auf den Wahlplakaten, und der Wähler macht am Ende neben dem Symbol sein Kreuzchen.
Nun mögen manche, wie das nützliche Kamel oder die nationalistische Mondsichel, das Herz der Wähler eher erwärmen. Mit Pistole oder Schwert sind in einem von islamistischen Anschlägen geplagten Land dagegen weniger Sympathien zu gewinnen. Offiziell werden die Symbole nach einem „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“-Prinzip verteilt. Erstaunlicherweise zogen nach dem ersten Tag der Symbol-Ausschreibung alle Kandidaten der regierenden Nationaldemokratischen Partei mit Kamelen und Mondsicheln ab. Der Sprecher der Muslimbrüder, Ma'mun al-Hudeibi, mußte sich mit einer Pistole und sein Koalitionspartner, der Generalsekretär der Arbeitspartei, mit einem Schwert begnügen. Auch wenn die Oppositionskandidaten zu frühester Morgenstunde erschienen waren: Immer war ein Vertreter der regierenden Partei auf wundersame Art noch früher aufgestanden und hatte sein Sympathiesymbol ergattert.
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