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Ich sag' zu allem „Ja“

■ Der „Klangzaun“ von Rolf Julius beschallt seit gestern die Bürgerweide – recht gefällig und allzu brav

Munteres Protestgeheul vor der Stadthalle, drinnen erregte Debatten: Auch am Tag seiner feierlichen Eröffnung wurde der „Klangzaun“ des Künstlers Rolf Julius von lauten Mißtönen begleitet. Seit gestern plätschert und sirrt es nun also aus den Lautsprechern, die Julius entlang des steinernen Pfades über die Bürgerweide installiert hat. Ob seine Klangskulptur an diesem Platz wirklich Sinn macht, ob sie „die Sinne der Menschen anspricht“ (Julius) – das alles wurde abermals nicht diskutiert. Die Proteste richteten sich ausschließlich gegen die Politik des Geldverteilens: Wo rund 400.000 Mark für „Kunst am Bau“ ausgegeben werden, da müsse doch auch mehr Geld für die Schulen drin sein – so der Tenor des kleinen Demonstrationszuges.

„Der Klangbogen klingt – unsere Kooperation von Behinderten und Nichtbehinderten klingt aus“. Mit diesem Transparent zogen LehrerInnen und SchülerInnen aus dem Schulzentrum Regensburger Straße pünktlich zum Kunstereignis auf die Bürgerweide. Nein, „gegen den Klangbogen haben wir eigentlich nichts“, räumte der Lehrer Michael Haag ein. Genausogut hätte es ein anderes Projekt des Senats treffen können. Also: Nichts gegen die Kunst – „wir wollen nur sagen: Es gibt andere, genauso berechtigte Dinge in dieser Stadt, die auch Gehör verlangen.“

Als „politischen Kitsch“ tat Thomas Deecke, Direktor der Weserburg, den Protest der Schule ab. Hier aber entzweiten sich die KunstfreundInnen: Vielleicht könne man doch nicht von einer automatischen Legitimation der Kunst ausgehen; „vielleicht ist es doch eine Frage, wie man solche Kunst vermittelt“, wandte Narciss Goebbel aus der Kulturbehörde ein.

Denn offensichtlich waren weder die künstlerischen Absichten noch die genauen Kosten den Protestierenden geläufig. Keine Mark des Künstlerhonorares kommt aus dem Bremer Haushalt. Der Lohn für Julius' zweijährige Arbeit: „zwischen 100.000 und 150.000 Mark“ aus EU-Mitteln, dazu rund 250.000 Mark für die Technik, ebenfalls aus Brüssel. Im Verhältnis zu den 12 Millionen Mark Gesamtbaukosten sei der Kunstanteil „kein Extra, sondern ein ganz normaler Fall“, so Manske.

Möge sich nun also Normalität einstellen. Die Klangskulptur von Julius wird sie jedenfalls nicht groß stören. Seine klingenden Implantate vertragen sich bestens mit der Bürgerweide. Anders war es auch gar nicht gedacht: „Ich sag' zu allem ,Ja', zur Stadthalle, zum Klangpfad“ – selbst die weißen Linien der Partkplatzmarkierungen will Julius noch irgendwie in sein akustisches Ambiente einbeziehen.

Und da wird die Kunst doch wieder dekorativ; da wird der „Klangzaun“ zur gefälligen Berieselung.

Richtig war zweifelsfrei die Entscheidung, hier kein weiteres, massives Kunststück ins Stadtbild zu stellen; zu groß wäre die Konkurrenz zu den neuen Lichtmasten gewesen. Stattdessen nun: dezente Klänge von japanischen Bergbächen, filigrane Kompositionen von meditativer Qualität – eine immaterielle Skulptur. So klingt es aus Lautsprechern in den Lichtmasten und aus den Sielen im Granitboden. Es flirrt und gluckert unentwegt, auf daß die Zaungäste „sensibiliert werden“ und die Umgebung anders wahrnehmen. Das aber ist nur halb gelungen. Das hochfrequentige Flirren von oben, vom Kopf der Lichtmasten, bietet tatsächlich eine neue Klangqualität auf dem Platz. Gerade an der Schwelle des Hörbaren ausbalanciert, vermischen sich die vielschichtigen Klangquellen dieser Minimalmusik sehr elegant mit dem Autorauschen, dem Baustellengesäge, den Wortfetzen.

Aber das unablässige Gegluckse aus dem Untergrund übertönt diese Feinheiten leider weitgehend. Die Assoziationen an einen unterirdischen Abwasserkanal sind zu naheliegend, zu plakativ aufgetragen, als daß weitere, freie Klangbilder in der Vorstellung der Passanten entstehen könnten. So entsteht auch „die große, geschwungene Form“ des Klangzauns nicht, die Julius angestrebt hatte; zu stark fallen die Klangelemente auseinander.

Und ob diese Klangskulptur nun auf der Bürgerweide installiert ist oder, zum Beispiel, nebendran im grünen Bürgerpark tönt – das scheint wirklich beinahe egal. Eine Beziehung zur Architektur der Bürgerweide jedenfalls läßt sich auch bei näherem Hinhören nicht unterstellen. Vielleicht hätte Julius nicht zu allem „Ja“ sagen dürfen.

Thomas Wolff

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