: Grüner entdeckt Reizthema PDS
Der ehemalige Bürgerrechtler Werner Schulz will „eine neue Runde im Umgang mit der PDS einläuten“ und fordert Ost-SPD zu Koalitionen mit den Demokratischen Sozialisten auf ■ Aus Bonn Hans Monath
Oskar Lafontaines machtbewußtes Jonglieren mit der PDS- Option bringt auch ehemalige DDR-Bürgerrechtler bei den Bündnisgrünen zum Umdenken. Werner Schulz, parlamentarischer Geschäftsführer der grünen Bundestagsfraktion, erklärte am Montag, er könne sich für das Jahr 1998 im Bund eine „linke Mehrheit“ unter Einschluß der PDS vorstellen. Vor einer Regierungsbeteiligung in Bonn müsse die PDS aber in einer Landesregierung einen „Eignungstest“ bestehen.
Für den Test sollen sich allerdings nicht die Bündnisgrünen hergeben: „Die PDS ist ein Problem der SPD im Osten“, glaubt Schulz und fordert die SPD zum Handeln auf. Ein Koalitionsangebot würde die PDS „läutern“. Damit könne geklärt werden, ob sich die PDS „auf Dauer verweigern“ wolle oder sich zum potentiellen Koalitionspartner entwickle. Grundlegende, trennende Unterschiede zwischen SPD und PDS sieht Schulz offensichtlich auch in der Demokratiefrage nicht mehr: Sozialdemokraten und Demokratische Sozialisten seien schließlich „zwei Flügel einer Arbeiterpartei“. Die Grünen dagegen könnten PDS- Wähler kaum erreichen und stünden deshalb nicht in der gleichen Verantwortung wie die SPD.
Schulz geht inzwischen davon aus, daß es die Ost-Partei auf lange Sicht geben wird. Deshalb gehe es darum, „eine neue Runde im Umgang mit der PDS einzuläuten“. Absehbar ist für Schulz zudem, „daß die PDS in vielen Ländern demnächst stärker ist als die SPD“.
Schulz stört auch kaum mehr, daß die PDS sich zu einem anderen Wirtschaftssystem bekennt: Zwar würde er selbst „mit der PDS, wie sie jetzt besteht“, nicht koalieren wollen. Entscheidend sei aber, „daß die PDS sich in der Landespolitik von ihrem Programm abwendet“. Schließlich habe sie wesentlich mehr Leute in den eigenen Reihen, „die sich auf dieses System eingelassen haben“, als es die Systemoppositionellen an deren Spitze glauben machten. Auch die „Kommunistische Plattform“ schreckt Schulz nicht: „Ich glaube, daß sie überbewertet wird.“
Im Gegensatz zu vielen anderen ehemaligen DDR-Bürgerrechtlern stört es Schulz auch kaum noch, daß die PDS ihr Verhältnis zur DDR nicht klargestellt hat: „Ich muß doch einfach zur Kenntnis nehmen, daß die PDS nicht mehr die SED ist.“ Einen formalen Bruch der PDS mit ihrer Vergangenheit hält Schulz kaum für realisierbar. Wenn die PDS sich auf eine „verantwortliche Rolle einlassen würde, wäre das der Bruch mit der Vergangenheit“. Daß viele andere Exbürgerrechtler bei den Bündnisgrünen seine Überlegungen ablehnen, weiß Schulz wohl: „Das ist ein Reizthema.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen