: Stehen, wackeln, abreißen und dann neu bauen
■ Altes Hofgarten-Haus wurde abgerissen. Architekt Kollhoff plant Ersatzbau
Historische Bausubstanzen haben gegen Neubauinteressen derzeit in Berlin kaum eine Chance, höchstens als potemkinsche Dörfer. Diese Erfahrung machte jetzt der Altbau Friedrichstraße Nummer 79a. Das Haus, das wie drei andere bestehende Gebäude – das Restaurant Borchardt sowie die beiden Bauten Friedrichstraße 81 und 82 – in den Block „Hofgarten am Gendarmenmarkt“ miteinbezogen werden sollte, wurde kürzlich abgerissen. An seiner Statt klafft nun eine Lücke im Hofgartenprojekt. Damit die Erinnerung nicht ganz verwischt, soll nach den Vorstellungen des Bauherrn die neue Fassade „in enger Anlehnung an die bisherige wieder aufgebaut werden“.
Dem alten fünfstöckigen Gebäude Friedrichstraße 79a haben nach Angaben des amerikanischen Projektentwicklers Hines die benachbarten Bauarbeiten erheblichen Schaden zugefügt. Das bis auf die Fassade entkernte Haus sei aufgrund „mangelnder Tragfähigkeit nicht zu erhalten“ gewesen, so Benita Hahm-Kraetz, Sprecherin der von Hines beauftragten COM- Beratungsgruppe. Die Abrißentscheidung für das „nicht denkmalgeschützte Gebäude“ sei nach einem Gutachten eines unabhängigen Prüfstatikers sowie „in Abstimmung“ mit dem Land Berlin gefallen.
Mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, der Denkmalbehörde sowie dem Bauamt Mitte, erinnerte Hahm-Kraetz, war vor zwei Wochen verabredet worden, die denkmalwerte Stahlkonstruktion abzumontieren und das Gerippe einzulagern, um es in einem Neubau wieder „zu integrieren“. Der mit dem Neubau beauftragte Architekt Hans Kollhoff habe bereits ein am Original orientiertes Haus entworfen. An der neuen Fassade werde die Identität der ehemaligen Parzelle Friedrichstraße 79a ablesbar sein, erklärte auch Douglas McKinnon, zuständiger Projektentwickler bei Hines. Das Hofgartenprojekt der Architekten Kollhoff, Jürgen Sawade, Josef-Paul Kleihues und Max Dudler für Büros, Wohnraum und Geschäfte soll im Frühjahr 1996 fertiggestellt werden. Hahm-Kraetz wies zugleich Vorwürfe zurück, Hines habe schon seit längerer Zeit damit spekuliert, das historische Haus abzureißen. Dorothee Dubau, Baustadträtin aus Mitte, hatte dem Projektentwickler schon seit längerer Zeit vorgehalten, das Haus schleifen zu wollen, da dieses den Neubauten im Weg stünde. Mit Beginn der Abrißarbeiten in der ersten Novemberhälfte hatte Dubrau zwar einen „vorläufigen Baustopp“ erwirkt. Der mußte jedoch wieder aufgehoben werden, da für das Haus eine ordnungsgemäße Abrißgenehmigung vorlag.
Im Bauamt Mitte ist man sich sicher, daß der Altbau hätte gerettet werden können. Es wäre ein leichtes gewesen, so ein Mitarbeiter der Behörde, den Altbau abzusichern und zu schützen. Der Neubau im alten Gewand sei ein schwacher Trost. Rolf Lautenschläger
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