■ Daumenkino: Nobody's Fool
Amerikanische Provinz ganz ohne Depressive, Desperados und Serienmörder. In North Bath, N.Y., ist die Welt in Ordnung. Wenn bei Oma Beryl Schnee geräumt werden muß, kommt Sully (Paul Newman) mit Baseballmütze und Pick-up. Glücklos, aber gutgelaunt ist der Charmeur und Kleinstadtindividualist in die Jahre gekommen. Und weil das richtige Pferd nie gewinnt, muß er immer wieder bei dem Bauunternehmer Roebuck anheuern. Bruce Willis spielt diesen Provinz-Platzhirschen, der die Füße auf dem Schreibtisch hat, wenn er nicht gerade seine Frau betrügt. Es weihnachtet nicht gerade in dem ärmlichen Nest, aber die Kämpfe, die hier ausgetragen werden, sind so ernst auch nicht. Wenn dir jemand die Schneefräse entführt, dann klaust du sie halt zurück. Man kennt sich eben. Nur den Banker, der die Stadt mit einem Vergnügungspark namens „The Great Escape“ beglücken will, schlagen sie in die Flucht.
Spuren kreuzen, Fäden verheddern sich, und die Straßen werden immer glatter. Da kommt Sullys Vergangenheit in Form einer vollbeladenen Familienkutsche des Wegs. 30 Jahre zuvor hat er Frau und Sohn sitzengelassen, nun hat Sohn Peter (Dylan Walsh) selber Kinder — und eine ebenso verkrachte Ehe. Sully könnte die vakante Stelle des Großvaters annehmen und etwas gutmachen. Aber nein: Er schürzt die Lippen, wirft einen blitzenden Blick aus seinen blauen Augen und humpelt davon. Gelegenheiten beim Schopf zu packen, ist nicht seine Sache.
Newmans herrliche Unglaubwürdigkeit in der Rolle des Losers verhilft dem Film zu einer Leichtigkeit, die wohl nur jemandem gelingt, der 70 ist, aussieht wie er und von seinen Salatsaucen bestens leben kann. Und Regisseur Benton scheint uns immer wieder zuzuflüstern: Alles nur Film. Wie schmierig könnte Sullys Affäre mit Carls Gattin Toby (Melanie Griffith) aussehen! Sie 30, er 70! Hier reichen ein paar wehmütige Blicke, ein paar Anspielungen, um die verfließenden Grenzen einer Liebe anzudeuten, an deren Idylle wir kaum zu glauben wagen. Doch sie liebt den alten Spinner wirklich. Ein bißchen ordinär, ein bißchen kindlich und mit einer Zärtlichkeit, die man der Griffith nicht zugetraut hätte.
„Ach det is Strippoker? Herrlich!“ raunte eine Wilmersdorfer Witwe hinter mir ihrer Freundin zu, als Carl, der Weiberheld, splitternackt beim Kartenspiel von seinem Dasein als Gehörnter erfährt. Doch Sully bleibt sich treu. Jetzt, wo er die 5.000 Dollar von der Pferdewette in der Tasche hat, träumt er lieber weiter vom Glück, als es mit Toby in die Hand zu nehmen. „Bleib zu Hause und nähre dich redlich“, mag die spießigste aller Ideologien sein, doch darüber läßt sich ja hinwegsehen. In der Nachmittagsvorstellung zu genießen. Jörg Häntzschel
„Nobody's Fool“ von Robert Benton
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