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Geschiedene und unverheiratete Väter sollen mehr Rechte ihren Kindern gegenüber bekommen. Dies verspricht ein Gesetzentwurf von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Die wirkliche Reform begänne, wenn vor allem das Kind ein Recht auf Umgang mit Mutter und Vater bekäme Von Barbara Dribbusch

Nicht ohne meinen Vater

Seit einigen Wochen klingelt bei Hans-Georg Klebig ständig das Telefon, seine Termine sind ausgebucht. Hans-Georg Klebig ist Bundesvorsitzender des Vereins Humane Trennung und Scheidung (VHTS) in Berlin. „Der Gesetzentwurf zum Kindschaftsrecht hat viele aufgescheucht“, sagt er. „Die Väter wittern Morgenluft, und die Mütter haben Angst um ihre Rechte.“ Den Gesetzentwurf zur Reform des Kindschaftsrechts will Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) nächste Woche durchs Kabinett bringen. Er gibt unverheirateten und geschiedenen Vätern deutlich mehr Rechte auf ihre Kinder.

Die wichtigsten Eckpunkte: Nichtverheiratete Eltern können auf Antrag das gemeinsame Sorgerecht für das Kind bekommen. Nichtverheiratete Väter erhalten grundsätzlich ein Umgangsrecht für ihren Nachwuchs. Nach Ehescheidungen bleibt erst mal das gemeinsame Sorgerecht bestehen. Will eine ledige Mutter nicht, daß der Vater das Kind besucht, muß sie das mit dem Wohle des Kindes begründen. Beansprucht ein(e) Geschiedene(r) das alleinige Sorgerecht gegen den Willen des Exmannes, muß sie oder er gleichfalls Gründe anführen. „Die Beweislast wird damit umgekehrt, das ist schon mal ein Fortschritt für die Väter“, freut sich Werner Sauerborn, Vorstandsmitglied im Verein „Väteraufbruch“. Wenn der Zank ums Sorgerecht nicht mehr wie bisher automatisch Bestand des Scheidungsverfahrens sein müsse, werde „viel Zündstoff von den Kindern ferngehalten“.

Aber manchmal kann das dicke Ende doch hinterherkommen, gerade mit dem gemeinsamen Sorgerecht. „Es ist doch absolut praxisfern, daß beide Elternteile sich im Zuge einer Trennung die Sorge um das Kind friedlich teilen können“, meint Peggi Liebisch, Bundesgeschäftsführerin des Verbandes Alleinstehender Mütter und Väter (VAMV). „Oftmals geht der Streit auf dem Rücken des Kindes weiter, es geht um Kleinigkeiten, den Schulbesuch, den Urlaub.“ Dem Gesetzentwurf stehe der VAMV „äußerst kritisch“ gegenüber.

Väter, die sich aufgrund des gemeinsamen Sorgerechts ständig in die Erziehung einmischen können, obwohl sie nur alle paar Wochen den Nachwuchs zum Zoobesuch einladen, sind alleinstehenden Müttern ein Graus. „Die Väter wissen doch gar nicht, welche Arbeit auf sie zukommt, wenn sie sich wirklich zur Hälfte an der Erziehung beteiligen“, ist Liebisch überzeugt. Als Beweis für die sinkende väterliche Moral verweist der VAMV auf die Statistiken der Unterhaltsvorschußkassen. Danach ist die Zahl derjenigen Mütter, die Leistungen beanspruchen, weil der Vater nicht zahlt, von 1993 bis 1994 um 20 Prozent gestiegen. Der Deutsche Familiengerichtstag geht von rund 850.000 säumigen Vätern aus – rund einem Drittel der unterhaltspflichtigen Männer. In Sachen Kinderbetreuung gebe es „eher wenig Impulse, die von den Männern kommen“. Nach Erhebungen des Justizministeriums hat die Hälfte (!) der geschiedenen Väter ein Jahr nach der Scheidung keinerlei Kontakt mehr zu den Kindern. Im Gegensatz zum VAMV hoffen die Verfechter des neuen Entwurfs aber darauf, daß das gemeinsame Sorgerecht für Geschiedene und das Umgangsrecht für Nichtverheiratete die Männer zu besseren Vätern macht. „Am Anfang einer Trennung ist das Interesse beider Elternteile an den Kindern oft gleich stark“, sagt Klebig. „Aber wenn der Vater dann immer wieder mal das Kind nicht sehen kann, grenzt er sich irgendwann auch mal ab.“ Klebig befürwortet das gemeinsame Sorgerecht und liegt damit im Trend: In den alten Bundesländern haben schon zwischen 16 und 24 Prozent der Eltern nach einer Scheidung das gemeinsame Sorgerecht erhalten, Tendenz steigend.

Ob sich mit einer neuen Rechtslage auch das Bewußtsein verändert, ist aber zweifelhaft. Nicht nur bei der SPD, die ein gemeinsames Sorgerecht nach einer Scheidung nur gewähren will, wenn die Expartner sich in einer gemeinsamen „Elternvereinbarung“ über Aufenthalt, Besuche und Umgang mit dem Kind einigen können. Auch Abgeordnete in der CDU-Fraktion befürchten, daß das gemeinsame Sorgerecht unter Umständen nicht mit der Wirklichkeit so mancher Trennung übereinstimmen könnte. Daß der Gesetzentwurf im Bundestag durchkommt, ist daher nicht sicher.

Das geplante Umgangsrecht für nichtverheiratete Väter ist in den Fraktionen kaum umstritten. „Wir befürworten das“, sagt auch Peggi Liebisch vom VAMV. Aber die eigentlichen Probleme würden damit nicht gelöst. Das größte Problem seien immer noch die Väter, die irgendwann einfach von der Bildfläche verschwinden. „Die wirkliche Reform beginnt dann, wenn nicht nur beide Elternteile, sondern vor allem die Kinder ein Recht auf Umgang mit Mutter und Vater bekommen.“

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