Fliegender Klempner mit drei Leben

■ Spiele-Computerhersteller kriegen Konkurrenz im Kinderzimmer: „Nintendo steigt ab“, wissen Vierjährige

Der Klassiker unter den Sätzen aus der Spielwarenabteilung: „Komm' jetzt weiter, Dirk!“ Aber zu spät. Schon klebt der Kurze an der Mattscheibe. Greift instinktiv den Joystick, drückt instinktiv die richtigen Knöpfe und holt sich den Bananenbonus sowie ein Extra-Leben für die nächste Ebene. Wo sind wir? Im Kaufhaus, genauer: in der Computerspielecke, die sich allweihnachtlich zu einer eigenen Abteilung auswächst. Dann stellen Nintendo und Sega wahre Batterien an Bildschirmen und Spielekonsolen auf, auf daß diese bald in die Kinderzimmer wandern mögen. In diesem Jahr haben die beiden Erzrivalen Konkurrenz bekommen.

Sony drängt mit seinem neuen Spielesystem dazwischen. Ein harter Qualitätstest, die Kundschaft hat ihre Kriterien. Aber die Profis zeigen sich gnädig: Mit noch besseren Grafiken und Sounds ziehen die nagelneuen „Sony Playstations“ die Kids in Schulklassenstärke an, während die schwarzen, alten Kisten von Nintendo nun weithin unbeachtet bleiben – „Nintendo“, so flüstert es ein Viertklässler im Originalton der Börsenmakler, „ist auf dem absteigenden Ast.“

Eben hat Völler dem Brasilianer Dunga den Ball gekonnt weggespitzelt. Jetzt noch am Torwart vorbei, dann aus spitzem Winkel abziehen – Tor. „Das will ich nochmal in der Zeitlupe sehen“, fordert Marco (Brasilien) gebieterisch. Die Fa. Sony liefert es prompt: Das Sony-Soccergame wiederholt auf Knopfdruck jede Spielszene, „und zwar aus drei verschiedenen Kamerawinkeln“, fügt Marco sein Insiderwissen hinzu. „Fast wie in ,ran'“ – und das ist wohl der wesentliche Qualitätssprung der neuen Sony-Kisten.

Fußball, Ringen, Fliegen, Balllern in Fernsehqualität – da kommen die Nintendo-Krieger mit ihren grobgestrickten Grafiken einfach nicht mit. Weiterer Vorteil: Die Sony-Kisten fressen alles – CD-ROMs mit Computerspielen ebenso wie Musik-CDs. Nintendo und Sega pflegen nach wie vor nicht auf andere Systeme übertragbare Software in Diskettenform.

Was wird gespielt? Kampfsport (“Battle Area Toshinden“), Autorennen (“Wipe Out – Das Rennen der Zukunft“), natürlich Fußball sowie die üblichen Ballerspiele (“Air Combat“, „War Hawk“). Also unterm Strich „nix richtig neues“, wie aus berufenem Mündchen verlautet. Sogar die Spiele aus der Steinzeit des Mediums wie „Tetris“ werden von Nintendo wiederbelebt. Und bewährte Sympathieträger wie der Sega-Igel „Sonic“ oder Nintendos „Super-Mario“, der fliegende Klempner mit den drei Leben in der Tasche, werden durch immer neue Fortsetzungsabenteuer gejagt.

Wo den Spieleprogrammierern die Phantasie ausgeht, da müssen die Techniker nun für neue Spektakel sorgen. Tatsächlich bieten alle Hersteller elektronische Fußballspiele an, die im Spielaufbau und in der Handhabung fast identisch sind.

Den Unterschied macht die Grafik. Sony um irbt seine junge Kundschaft mit „32-Bit-RISC-Technologie, sechs Power-Prozessoren, Double-Speed-CD-ROM-Laufwerk nd 24-Kanal-Stereo-Sound in CD-Qualität.“ Mitleidsvolle Blicke begleiten die beiden Muttis, die auf dem Grabbeltisch nebenan nach dem richtigen Gameboy für den Kleinen suchen – „lieber in bunt oder durchsichtig?“ Das interessiert hier niemanden mehr, wenn die Bälle in 3-D und Stereo über den Bildschirm sausen.

Da nehmen es Marco & Co. auch gelassen hin, daß Sony mit den deutschen Spielversionen ganz offensichtlich nicht rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft fertiggeworden ist. Auf der Spielerliste tauchen Ungetüme wie „Vallir“, „Hasslir“ und „Iffinbirg“ auf – nein, hier kicken nicht die Vereinigten Emirate, sondern die deutsche Nationalelf. Und auch der leicht erhöhte Preis für den Sony-Spielspaß läßt die Kurzen kalt. Für den Grundbausatz der „Playstation“ müssen die Alten 600 Mark in der Spielzeugabteilung lassen – bei Sega geht's ab 200 Mark los, dieweil Nintendos „Super Mario“ in ungeahnte Tiefen trudelt. tw