Blümchenpflücken beim Bahnfahren

Verzögerung beim Tunnelbau: Mindestens bis 2003 bleibt Berlin das Nadelöhr der Bahn. Der Transrapid hat das Wettrennen aufgenommen, um der Schiene Fahrgäste wegzuschnappen  ■ Von Hannes Koch

Schnelle Verbindungen mit der Bahn in Berlin lassen noch mindestens acht Jahre auf sich warten. Frühestens 2003 nämlich werden die Züge im Lehrter Zentralbahnhof halten und durch die aufwendigen Tunnel unter dem Tiergarten fahren. Das räumen Bahn AG und Bundesverkehrsministerium jetzt ein, nachdem das Geld für den geplanten schnellen Betriebsbeginn im Jahr 2002 nicht mehr ausreicht. Zum Leidwesen besonders der Reisenden, die von Nord nach Süd unterwegs sind: Die Fahrt von Hamburg nach Dresden wird am Hochtechnologiestandort Deutschland auch im dritten Jahrtausend fünf Stunden und 52 Minuten dauern – mindestens. Mit manchen Verbindungen muß man siebeneinhalb Stunden einplanen.

Sind die Tunnelröhren im Zentrum Berlins erst fertiggebaut, soll sich die Fahrtzeit zwischen den beiden Städten auf drei Stunden und 38 Minuten reduzieren. Während der Zug vom Bahnhof Lichtenberg nach Rostock heute zwei Stunden und 42 Minuten unterwegs ist, wird er später eine halbe Stunde weniger brauchen. Doch das bleibt länger Zukunftsmusik, als ursprünglich versprochen. Auch der Nahverkehr der Bahn AG rollt langsam, weil die Bauarbeiten am neuen Regionalbahnhof unter dem Potsdamer Platz mehr Zeit in Anspruch nehmen. Die ArbeitspendlerInnen aus Neuruppin und Prenzlau im Norden, im Süden aus Luckenwalde und Lübbenau bekommen das zu spüren.

Die Verbindungen zwischen den nördlich und südlich von Berlin gelegenen Städten sind von der Verzögerung besonders betroffen, weil der neue Tunnel den gesamten Verkehr aus diesen Richtungen aufnehmen wird. Bis zur Fertigstellung fährt die Bahn auf komplizierten Wegen um die Hauptstadt herum oder mutet den Passagieren mehrmaliges Umsteigen inklusive S-Bahn-Fahrten zu. Diese Erschwernisse treffen im übrigen auch einige Ost-West-Verbindungen: Von Frankfurt/Oder nach Brandenburg/Havel gibt es für lange Zeit noch keine durchgehenden Züge.

Eventuell dehnt sich die Bauerei auch bis ins Jahr 2004 aus, erklärte Bahnsprecherin Irene Liebau. Der Tagesspiegel hatte gar über eine Streckung der Finanzierung bis 2010 berichtet. Das alles kann grundsätzliche Folgen für den gesamten Bahnverkehr in Berlin haben. Denn das Konsortium für den Bau der Magnetschwebebahn Transrapid von Hamburg nach Berlin hat das Wettrennen aufgenommen. Ab 2005 soll der High-Tech-Zug übers Land gleiten und der Bahn AG die Passagiere von der Schiene schnappen.

Verzögert sich der Tunnelbau unter dem Tiergarten weiter, und geht die neue Trasse Lehrter- Bahnhof-Hamburg später in Betrieb als der Transrapid, könnte das der Bahn Passagiere und damit die Wirtschaftlichkeit der Strecke kosten.

So bestätigt sich jetzt ein Argument, das der bündnisgrüne Verkehrsexperte Michael Cramer seit langem gegen den Bau der neuen Nord-Süd-Trasse und den Lehrter Zentralbahnhof vorbringt. Das gigantische Projekt mit einem Finanzierungsvolumen von 4,5 Milliarden Mark verhindere im Sinne eines „alles oder nichts“ die schnelle Verbesserung der Bahnverbindungen, weil diverse Realisierungsschwierigkeiten immer wieder Steine auf die Schienen rollten.