: FDP ist abgebrannt?
■ Bonner Koalition nervös, die Gerüchteküche brodelt
Von Neuwahlen ist in Bonn die Rede. Die Regierungskoalition könnte, so heißt es seit Tagen, nach den drei Landtagswahlen im März ins Strudeln geraten, wenn die Liberalen aus den Länderparlamenten in Rheinland- Pfalz, Schleswig-Holstein und Baden- Württemberg rausfliegen würden. Genährt wird dies von öffentlich gedachten Planspielen des CDU/CSU-Fraktionschefs Wolfgang Schäuble. Sein Gedanke: „Was ist, wenn die FDP von der Fahne geht?“ Geht sie denn? Die Freien Demokraten dementieren – aber wie vieles bei ihnen klingt das halbherzig. Alles nur Gerüchte?
Neue Nahrung geben die Rücktrittsspekulationen um Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Wirtschaftsminister Günter Rexrodt – auch wenn in beiden Fällen daran nichts, aber auch gar nichts neu ist und die Gerüchteküche schon lange brodelt. Die Justizministerin hatte schon im Sommer gedroht zurückzutreten, falls die Mehrheit der liberalen Basis sich für den großen Lauschangriff aussprechen sollte. Und es ist allgemein bekannt, daß man in der FDP-Fraktion nicht nur das Bürgerrechtsgewissen im Justizministerium, sondern auch den glücklosen Wirtschaftsminister lieber heute als morgen loswerden möchte. Fähige Nachfolger gibt es genug – sagt die FDP.
Die Koalition ist noch nicht am Ende, doch die Diskussion zeigt, wie nervös die Spitzen der Regierungsparteien sind. Die Defizite der Regierungsarbeit sind nicht mehr zu übersehen, Entscheidungen werden ständig hinausgeschoben. Ladenschluß, Gesundheitsreform, Steuersenkung, Staatsbürgerschaftsrecht und Solidarzuschlag sind Beispiele dafür, daß CDU/CSU und FDP in inhaltlichen Fragen nicht einig werden. Die Beispiele zeigen aber auch, wie schwierig es geworden ist, innerhalb der jeweiligen Fraktionen eine gemeinsame Linie zu finden. Nun dreht sich bei der FDP auch noch das Personalkarussell.
Mit dem Theaterdonner will die Union den kleinen Regierungspartner in die Pflicht nehmen. Die FDP soll ihre Personalquerelen schnellstmöglich beenden und auf Profilierungsversuche à la „Steuerland ist abgebrannt“ verzichten. Nebenbei signalisiert die CDU: Greift die Unruhe in der Koalition weiter um sich und ist die FDP nach verheerenden Wahlniederlagen im März wirklich nicht mehr zu halten, hat die Union immer noch die Handlungshoheit. Wie sagte doch Schäuble: „Wenn unser Partner Selbstmord begehen sollte, dann gilt bei uns nicht das Prinzip der Witwenverbrennung.“ Karin Nink
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen