: Wenn Wahrsager versagen Von Andrea Böhm
Die CIA, das wissen wir, war in ihrer Auswahl von Mitarbeitern nie sehr wählerisch. Drogendealer, Putschisten, Killer, Doppelagenten ... Diese Personalpolitik, kombiniert mit Sendungsbewußtsein und Skrupellosigkeit, bekamen vor allem die Nachbarn der USA im Süden zu spüren – hier ein Militärcoup, dort ein paar Todesschwadronen, da eine Marionettenregierung. Die Personalpolitik führte allerdings auch zu einigen krassen Pleiten. Die Revolution im Iran fiel der CIA erst so richtig auf, als sie passiert war. Den Zerfall der Sowjetunion wollte man in der Behörde, bei der das „I“ für „Intelligence“ steht, nur zögerlich zur Kenntnis nehmen – was verständlich ist, wurde die Welt danach doch viel komplizierter.
Seitdem nun der US-Kongreß nach der Enttarnung des Doppelagenten Aldrich Ames die Buchführung der CIA etwas genauer unter die Lupe nimmt, wissen wir, daß der Geheimdienst gemeinsam mit dem Pentagon auch eine Abteilung für Telepathie unterhielt. „Operation Stargate“ hat die Steuerzahler in den siebziger und achtziger Jahren immerhin 20 Millionen Dollar gekostet, wofür bis zu 16 Hellseher, genannt „Psychics“, beschäftigt wurden. Die sollten ihren Kollegen in der Sowjetunion Konkurrenz machen, den Amerikaner sollte nach dem „Sputnik- Schock“ der „Psychic-Schock“ erspart bleiben.
Die geheimen Kaffeesatzleser sollen, wenn man der CIA überhaupt noch irgend etwas glauben darf, die Entführung des US-Generals James Dozier 1981 in Italien vorausgesagt haben (was aber an dem Umstand nicht änderte, daß er entführt wurde); einer ihrer Starhellseher, dessen übernatürliche Fähigkeiten später mit einem Orden honoriert wurden, soll nach einer telepathischen Sitzung die Umrisse geheimer Sowjet- U-Boote erkannt haben. Man sieht: Im Kampf gegen das „Reich des Bösen“ und seine Vasallen in aller Welt ließ die CIA nichts unversucht, wenn sie selbst nicht durchblickte. In Zeiten größter Ratlosigkeit – gegen Mitte und Ende der achtziger Jahre – versammelte sich die Hellsehertruppe gar regelmäßig zu Sitzungen, bei denen sich so mancher Löffel (oder zumindest Löffelbisquit) aus der Geheimdienstkantine zu einer sowjetischen Sichel verbogen haben soll.
Spannend wird die Geschichte aber erst werden, wenn der erste „Doppelhellseher“ entlarvt worden ist. Man muß ja kein ausgebuffter Leser von Spionageromanen sein, um sich vorzustellen, wie Hellseher John Doe in seinem CIA-Büro via telepathischer Leitung mit Hellseherin Ludmilla im sechsten Stock des Moskauer KGB-Gebäudes parlierte. „Was soll ich den Kapitalismusknechten denn heute erzählen“, wird John gefragt haben. „Tja, Genosse“, antwortete Ludmilla, „damit sich der Klassenfeind möglichst bald an ,Star Wars‘ zu Tode rüstet, müssen wir ihm noch einen Feind aus dem Weltall präsentieren. Verkauf ihnen doch noch mal den Quatsch mit dem Angriff der Marsmenschen ...“
Wie wir wissen, ist alles anders gekommen. Ganz anders. Aber den CIA-Hellseher, der eine Kolonie von Marsmenschen unter den Dünen der Wüste von New Mexico entdeckt haben wollte – den hat es wirklich in Echt gegeben. Es wollte ihm bloß keiner glauben, was wiederum für die CIA spricht.
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