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: Sing mir ein Lied davon

Auf die Knie vor dem, der diesen Einfall hatte: Willy Brandt als Oper. Die Versenkung der „Rainbow Warrior“ als Musical. Das ganze Leben ist Musik, gell? Der Chor der Greenpeacler im dunklen Bühnenhintergrund in Moll: „Unhappy day“. Oder Barzel als Tenor: „Willy, Willy, muß das sein / so allein / auf den Knien / laß das sein.“ Warum denn nicht?

Täglich ausverkauft ist seit über einem Jahr der Vietnamkrieg in Stuttgart. Und jetzt verstehen wir erst, „Miss Saigon“, was damals in Südostasien los war. Es muß ganz schrecklich gewesen sein. Viel schrecklicher, als das Wim Toelke in den Nachrichten (oder hieß der Sprecher anders?) es damals rübergebracht hat. Mit Musik geht alles besser, auch das Verstehen komplexer Zusammenhänge. Wetten, hätte Scharping seine Rede auf dem Parteitag als Rapper vorgetragen, er wäre noch Vorsitzender dieser Partei. Und gleicht nicht die SPD seit geraumer Zeit sowieso eher einem Gesangsverein? Ja, sicher, als Politiker Walter Scheel noch selber sang, da fuhr er noch, der „gelbe Wagen“, mit weit über fünf Prozent in die Wahlscheune ein. Warum also den Spieß nicht umdrehen? Politik findet ab sofort auf der Bühne statt. Und die Tagesschau – am nächsten Morgen schon vertont auf CD, erhältlich bei Ihrem Plattenhändler. Gab es den Holocaust wirklich? Oder war das nur ein Film namens Schindler?

Wir haben für alles noch Töne und Bilder übrig. Her damit. „Wo man singt, da laß dich fröhlich nieder, Bösewichter haben keine Lieder.“ Hast recht, Johann Gottfried Seume (1763–1810), wir singen das Elend nieder. Moruroa, arme Insel, niemand höret dein Gewinsel ... (c-Moll). Was ist mit dem Handschlag von Bitburg, Kohl meets Reagan? Und was mit dem Massaker von Srebrenica? Was mit dem Mord an Rabin? „Wer kann das alles verstehen?“ (Marianne Rosenberg). Hiermit melde ich vorsorglich alle Rechte der Vermarktung an zukünftigen Brandanschlägen, Politikermorden und Umweltskandalen an. Juliane Werding hat schon zugesagt: „Der Tag, als Salman Rushdie starb...“ Philipp Maußhardt