Der schwarze Eber aus dem Innenressort

■ Scharfe Debatte in der Bürgerschaft über die 23-Jahre-Regelung / Innensenator will Erlaß

In der aktuellen Stunde der Bürgerschaft ging es gestern zu wie beim Jägerstammtisch. Innensenator Ralf Borttscheller warf der grünen Bürgerschaftsabgeordneten Helga Trüpel vor, sie habe zur „Hatz auf die vermeintlich schwarze Sau im Innenressort geblasen“. Aber, gab er das Ergebnis kund, „die Wildsau wurde nicht erschossen. Der Eber lebt!“

Diese Kampfansage galt dem Dringlichkeitsantrag der Grünen. Die forderten die ersatzlose Aufhebung der Regelung, nach der ausländische Studierende aus Nicht-EU-Ländern nur bis zu einer Altersgrenze von 23 Jahren eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Einen ähnlichen Antrag hatte die SPD bereits zwei Tage zuvor angekündigt, dann aber aus Koalitionsraison zurückgezogen. „Die CDU wollte nicht mitmachen“, begründet SPD-Pressesprecher Kramer.

Warum nicht, erläuterte Wedige von der Schulenburg, innenpolitischer Sprecher der CDU. Er erklärte vor dem Parlament den Anlaß der Debatte als schlichtweg nicht existent und rüffelte Helga Trüpel, „sich mit dieser Sache überhaupt nicht beschäftigt“ zu haben. Sonst müßte sie wissen, daß der zugegebenermaßen „unglückliche“ Aktenvermerk vom April lediglich von den Medien aufgebauscht worden sei. In keinem einzigen Fall nämlich sei die 23-Regelung zur Anwendung gekommen.

Helga Trüpel aber konterte mit einem Auszug aus den Stadtamtsunterlagen, die die Ablehnung eines Studienanwärters mit der 23-Jahre-Regelung belegen. Eine solche Regelung sei ein eindeutiger Verstoß gegen die Koalitionsvereinbarungen, dei das „friedliche Zusammenleben der Menschen“ festschreibe.

Innensenator Borttscheller hingegen schränke die Ermessenspielräume der Behörden immer weiter zu Ungunsten der AusländerInnen ein und unterstelle jedem Studenten, der nicht aus einem EU-Land komme, ein Wirtschaftsflüchtling zu sein. „Das ist provinziell, mißgünstig und Ausländer abschreckend“, wetterte die Grüne. Die Regelung schädige den Ruf Bremens als Wissenschaftsstandort. Sie konterkariere auch die Empfehlungen der Bundesregierung, die bereits 1986 den außerordentlichen Wert des akademischen Austausches betonte. Noch am 13.11. diesen Jahres habe Außenminister Kinkel auf der Rektorenkonferenz für eine enge Zusammenarbeit mit anderen Ländern plädiert. Helga Trüpel zog den Schluß: „Wer ausländische Studenten als Wirtschaftsflüchtlinge behandelt, handelt gegen deutsche Interessen.“

Jens Böhrnsen argumentierte für die SPD in ähnlicher Schärfe. Die 23-Jahre-Regelung sei „politisch und rechtlich so absurd“, daß er sich wunderte, warum Borttscheller diese nicht längts zurückgezogen habe. Man könne „die Entschlußkraft eines Innensenators ja nicht an der Zahl der Abschiebungen messen“, bemerkte Böhrnsen bissig. Die Begründung des Innensenators, man wolle mit der Regelung einen Mißbrauch des Studiums zur Erlangung eines dauerhaften Aufenthaltsrechtes verhindern, bezeichnete Böhrnsen als „blankes Vorurteil“. „Wenn es keine Fakten gibt, ist das Willkür, und die darf es in einem demokratischen Rechtsstaat nicht geben.“

„Es gibt keinen Erlaß, darum gibt es auch nichts abzuschaffen“, hielt Borttscheller dagegen, ohne daß auch nur einE RednerIn von einem „Erlaß“ gesprochen hätte. Die Aktennotiz, gab er schließlich nach, sei „Unkraut aus der Ampelzeit, das ich gerne jäten will“. Borttscheller versicherte, die Ausländerbehörde werde nicht mehr mit dem Vermerk arbeiten: „Die Zahl 23 kann kein Kriterium mehr sein“. Aufgrund „zwingender ausländerrechtliche Vorschriften“ habe er mit Hagen Lichtenberg, dem Konrektor der Universität vereinbart, im Innenressort einen entsprechenden Erlaß zu formulieren, der mit der Universität und den Hochschulen abgestimmt werde. „Es wird eine liberale Regelung für ausländische Studierende getroffen werden.“

Nicht ohne mich, brachte sich endlich Wissenschaftssenatorin Bringfriede Kahrs ein. Jegliche Regelung sei mit ihrem Hause abzustimmen. „Es darf keinerlei Praxis geben, mit der ausländische Studenten in Bremen benachteiligt werden können.“

Beschlossen wurde in der Bürgerschaft nichts. Stattdessen wird sich Mitte Januar der Ausländerausschuß noch einmal mit dem Thema beschäftigen. dah