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Dagobert muß seinen Geldsack öffnen

Werder scheidet nach einem 0:0 gegen den PSV Eindhoven aus dem UEFA-Cup aus. Die Fans wissen längst, wo's fehlt, und in Bremen wird mehr denn je ein Stürmer gesucht  ■ Aus Bremen Dieter Mützelburg

Mitgezittert haben wir alle am Dienstag abend mit Werder Bremen. Gezittert haben Millionen vor dem Bildschirm. Erst recht gezittert haben wir 25.000 im Weserstadion, nicht nur vor Kälte, sondern vor allem, weil es doch jede Sekunde fallen mußte, das Tor. Das Tor, das Werder Bremen gegen Eindhoven in die nächste Runde des UEFA-Cup gebracht hätte.

Es war ein Spiel für Leute mit guten Nerven. Am Ende haben wir nur noch gelitten, mitgelitten mit der Bremer Mannschaft, die das Tor nicht treffen konnte und der am Ende der italienische Schiedsrichter Trentalange auch noch den moralischen K.o. versetzte. Vielleicht konnte er nicht sehen, daß Uli Borowkas Kopfball eine Viertelstunde vor Spielende erst hinter der Linie von Ersatztorwart Stanley Menzo gehalten wurde. Mit Sicherheit aber konnte er sehen, das in der letzten Spielminute Angelo Vier beim Kopfballversuch voll ins Gesicht getreten wurde. Statt Elfmeterpfiffen blieben die Pfiffe der Bremer Fans. Sonst hatten sie diesmal wenig zu pfeifen und viel Gelegenheit zu Freude und Anfeuerung. Werder spielte mit Power von der ersten bis zur letzten Minute. Eindhoven lauernd und eher vorsichtig, auch wegen „einiger Probleme mit dem hartgefrorenen Boden“ (Eindhoven-Coach Dick Advocaat). Beide Mannschaften hatten ihre Chancen. Aber mehr als Pfostenschüsse gelang beiden Teams nicht. Schlußendlich „ist die glücklichere Mannschaft weitergekommen“ (de Mos). Es war ein Spiel für Leute mit guten Nerven. Bei Werder konnte man zumindest vor dem Spiel am nervlichen Zustand zweifeln. Trainer Aad de Mos war in der Lokalpresse und bei vielen Fans nach zehn sieglosen Spielen in der Bundesliga schon fast entlassen. Die Mannschaft galt als zerstritten, einige Altstars wie Borowka und Dietmar Beiersdorfer samt dem großmäuligen Super- Mario Basler kündigten ständig ihren Abschied von Bremen an.

Am Dienstag aber standen alle auf dem Platz, alle kämpften, und alle hatten auch die Chance, das entscheidende Tor zu schießen. Die Nerven waren es also nicht, psychisch war Werder so gut drauf wie die ganze Saison nicht. Europacup macht Beine, sagt man im Weserstadion dazu. Denn meistens spielt Werder in internationalen Wettbewerben über Niveau. Womit auch schon erklärt ist, warum Werder in der Liga und nun auch im Europacup nicht mehr gewinnt. Das spielerische Niveau der Mannschaft reicht nicht für ständige Spitzenleistungen. Und Stürmer bei Werder zu sein ist eine Qual. Denn jede einigermaßen gut betreute Mannschaft merkt, daß Werder einfach nicht schnell genug den Ball von hinten nach vorne transportiert, daß der Umweg über Basler viel zuviel Zeit kostet und daß in dieser Zeit selbst Weltklassestürmer, falls vorhanden, vom Gegner gut bewacht werden können. Kampf allein gleicht diesen Nachteil nicht aus. Dennoch ist sich die Werderfangruppe einig: Ein Stürmer muß her.

„Dagobert, mach den Sack auf“, formulierte einer der treuesten Rufer. Dagobert ist Werders Manager, Willi Lemke, dem man nachsagt, in seinen Millionen zu baden. Namen werden gehandelt. Kürzlich versuchte eine alternative Kneipenrunde aus Medienprominenz, Werder für Stefan Kuntz zu begeistern. Das scheiterte aber an den Kaiserslauterern. Mario Basler wirbt für seinen Bruder im Geiste, Axel Kruse vom VfB Stuttgart. Zweimal Basler, da ergreift Werders Vereinsführung verständlicherweise die Panik. Also doch Davor Suker vom FC Sevilla? Der Kroate allerdings schüfe weitere Auswechselprobleme. Werder hat nämlich schon vier – gute – Ausländer. Am Ende wird Trainer de Mos wohl in Ostdeutschland suchen, in Rostock, Leipzig und Zwickau sollen noch Stürmer nach DDR-Modell gezüchtet werden, sagt man in Bremen, wo schon vier Ossis spielen.

Werders große kämpferische Leistung gegen Eindhoven könnte diese Diskussionen eigentlich beiseite schieben. Schließlich können auch Bode, Basler und Beiersdorfer Tore schießen, wenn, ja wenn sie nur etwas eher und etwas genauer angespielt würden. Das aber ist nicht das Problem der Stürmer.

PSV Eindhoven: Wattereus (60. Menzo) - van der Weerden, Faber, Valcks, Numan - Vink (66. Hoekstra), Wouters, Jonk, Cocu - Ronaldo, Nilis (90. Eijkelkamp)

Schiedsrichter: Trentalange (Italien)

Zuschauer: 25.077

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