: Rexrodt noch eine Woche Minister
■ FDP-Präsidium spricht Wirtschaftsminister sein Vertrauen aus – aber nächste Woche ist er wohl fällig
Bonn (taz) – Außer Spesen nichts gewesen. Entgegen allen Gerüchten bleibt Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt weiter im Amt – allerdings als Minister mit Galgenfrist. Denn jetzt wird damit gerechnet, daß Rexrodt am 14. Dezember seinen Kabinettssessel räumen muß. An diesem Tag wird auch mit dem Rücktritt von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger gerechnet, falls sich die FDP-Basis für den Großen Lauschangriff ausspricht.
Gestern nachmittag beendete FDP- Chef Wolfgang Gerhardt die Spekulationen, Günter Rexrodt werde noch am gleichen Tag zurücktreten. Nach einer Sondersitzung des FDP-Präsidiums erklärte er kurz und knapp zum allgemeinen Erstaunen, es gebe „keinen Grund für Personalentscheidungen“. Das Präsidium habe dem Wirtschaftsminister das Vertrauen ausgesprochen. Gleichzeitig unterstrich Gerhardt aber auch, daß es bei der Terminplanung vom 14. Dezember bleibe. Schon am Montag hatte der Parteichef angedeutet, daß er nach dem Ergebnis des Mitgliederentscheids möglicherweise zu Personalvorschlägen gezwungen sei. In diesem Zusammenhang sprach er, ohne Namen zu nennen, von „zwei“ FDP-Kabinettsmitgliedern.
Die Ehrenerklärung des Präsidiums und Rückendeckung aus der Fraktion hatte Rexrodt am Dienstag abend in einer Fraktionssitzung verlangt, dafür aber nur eisiges Schweigen geerntet. Zum offenen Bruch zwischen dem seit langem heftig umstrittenen Minister und der Fraktion war es gekommen, als diese ihm in der Frage des Entsendegesetzes völlig im Regen stehengelassen hatte: Wider Rexrodts Empfehlung hatte die Mehrzahl der FDP- Abgeordneten in einer fraktionsinternen Abstimmung den Kompromiß zum Schutz inländischer Bauarbeiter gegenüber der ausländischen Konkurrenz befürwortet. Die gesamte Partei- und Fraktionsspitze, also auch Gerhardt und Fraktionschef Solms, hatte sich der Stimme enthalten. Der ehemalige FDP-Chef und Exwirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff kommentierte den Vorfall später mit den Worten, er habe in 25 Jahren nicht erlebt, daß gegen einen Minister so etwas durchgezogen worden sei.
Die gestrige Entscheidung des Präsidiums, Rexrodt als Minister vorläufig zu halten, wird auch innerhalb der FDP als „Verschleppungsgeschichte“ gewertet. Es wird davon ausgegangen, daß ein Rücktritt zum jetzigen Zeitpunkt einfach nicht in den Strategieplan der FDP-Führung passe.
Der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung der CDU/CSU, Klaus E. Bregger, verlangte gestern das Amt des Bundeswirtschaftsministers für die Union, denn „die Wirtschaftskompetenz bei der FDP ist verfallen“. Auch SPD-Geschäftsführer Franz Müntefering forderte Bundeskanzler Kohl auf, die FDP nicht mehr mit dem Wirtschaftsministerium zu beauftragen, sondern einen Fachmann von außen zu holen. Rexrodt steht nach Meinung von Müntefering „seit Monaten wegen erwiesener Unfähigkeit vor dem politischen Aus“. Karin Nink Seite 2
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen