piwik no script img

Der Deutsche Bundestag springt in die Knobelbecher

■ Große Mehrheit für Bundeswehr-Einsatz in Ex-Jugoslawien. Bündnisgrüne gespalten

Bonn (taz) – Der Bundestag hat gestern den bislang größten und risikoreichsten Auslandseinsatz der Bundeswehr gebilligt. Damit können sich 4.000 deutsche Soldaten an der Nato-Friedenstruppe für Bosnien beteiligen. Die ersten Offiziere werden schon heute nach Bosnien abfliegen. 543 von 656 Abgeordneten votierten mit Ja. 107 Abgeordnete, darunter alle PDS-Parlamentarier, 22 Grüne und 55 Sozialdemokraten, lehnten den Einsatz ab.

Bundeskanzler Kohl nannte die Entscheidung „einen Einschnitt im Leben unseres Volkes“. Deutschland dürfe bei dem Einsatz nicht abseits stehen, weil sonst die Menschen in Ex-Jugoslawien um ihre Chance auf einen Frieden gebracht würden. SPD-Chef Scharping erklärte, die Sozialdemokraten seien sich ihrer internationalen Verantwortung bewußt und würden trotz Bedenken zustimmen – was später 55 von ihnen doch nicht taten. Entgegen ihrer ursprünglichen Absicht hat eine Mehrheit der Bündnisgrünen dem Bosnien- Einsatz nicht zugestimmt. Auf der Fraktionssitzung am Dienstag hatten sich die Grünen nicht auf eine gemeinsame Haltung einigen können und jedem eine Gewissensentscheidung zugestanden. Fünf Grüne enthielten sich gestern, 22 stimmten mit Ja, und 22 lehnten den Einsatz ab. Joschka Fischer nahm ausdrücklich jene Grünen-Abgeordneten in Schutz, die anders als er selbst nicht zustimmen wollten. Fischer kritisierte, daß statt der UN die Nato das Kommando innehabe, und nannte die Aufhebung des Waffenembargos einen schweren Fehler.

Mitglieder des Grünen-Parteivorstandes warfen der Mehrheit der Fraktionsführung nach der Abstimmung mangelnde Integrationsfähigkeit vor. Die Zustimmung einer großen Zahl von Abgeordneten werde von vielen Grünen „als eine Provokation empfunden“. Hans Monath Tagesthema Seite 3

Siehe auch Seite 9

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen