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dacapo al fine

■ Die Konzertgesellschaft „Dacapo“ steht vor dem Konkurs – Entlassungen auch in anderen Kulturhäusern mangels staatlicher Zusagen

„Dacapo“ steht vor dem Konkurs. Die Konzertgesellschaft, die gerade ihr zehnjähriges Bestehen feierte, kündigte gestern das „Aus“ zum Jahresende an. Die Gehälter könnten nicht mehr gezahlt, weitere Konzerte nicht geplant werden – es sei denn, die Kulturbehörde mache wenigstens eine mündliche Zusage für künftige Zuschusse von „Dacapo“. Die aber gibt es nicht: Über die Förderbeträge des kommenden Jahres wird seit gestern zwischen der Behördenspitze und den FachreferentInnen gesprochen; eine politische Entscheidung ist noch nicht in Sicht. Das trifft nicht allein „Dacapo“: Betroffen sind u.a. alle Kultureinrichtungen, deren Personal über den „Projektetopf“ des Ressorts mitbezahlt wurde. Folge: „Die Träger sind darüber informiert, daß sie vorbehaltlich späterer Entscheidungen ihren Mitarbeitern jetzt schon kündigen müssen“, wie die Kultur-Pressesprecherin Erika Hux-hold gestern auf Anfrage erklärte.

Rund 260.000 Mark an Zuschüssen bekam „Dacapo“ bisher pro Jahr. Mit 2,5 festen Mitarbeitern baute „Dacapo“-Chef Ingo Ahmels daraus ein regelmäßiges Programm zwischen Neuer Musik und Jazz. Mit einer Resonanz, sagt Ahmels, die nicht jeder Musikveranstalter bieten könne: Ein Drittel des Haushalts wird aus eigenen Einnahmen gedeckt. Vom städtischen Zuschuß aber ist das Personal abhängig. Und wenn nicht absehbar sei, wie „Dacapo“ deren Gehälter bezahlen könne, müßten am 15.12. die Kündigungen zum Jahresende erfolgen, sagt Ahmels.

Mehr noch: Auch die Zusagen für sieben bereits geplante Konzerte zwischen Januar und März müsse er zurücknehmen. Und – Folge der „strikten Konkursgesetzgebung des GmbH-Rechts“ – Konkurs anmelden. Voraussichtlich auf einer Gesellschafterversammlung Anfang nächster Woche werde er dieses vorschlagen. Bis dahin habe er der Kulturbehörde eine Frist gesetzt.

Die aber droht zu verstreichen. Zwangslagen wie diese gab es zwar schon in früheren Jahren. Aber da, sagt Ahmels, habe ihm die damalige Senatorin wenigenstens zugesichert, „daß wir politisch gewollt sind“. Anders die neue Behördenspitze. „Wir sind zur Zeit nicht in der Lage, solche Absichtserklärungen abzugeben“, bittet Rainer Köttgen, Hauptabteilungsleiter Kultur, um Geduld. Zur Zeit werde noch darüber diskutiert, was die Sparauflagen des Finanzsenators – sieben Millionen Mark allein für das Kulturressort – für den kommenden Haushalt bedeute. In der Kulturdeputation kommen die Haushaltsvorschläge am 8. Februar auf den Tisch.

Zu spät für einige Veranstaltungen, Projekte und Stellen. Wer derzeit im Bremer Filmbüro anruft, hört die Stimme von Ruth Stegemann, der Filmbüro-Leiterin, nur noch vom Band: Sie mußte bereits entlassen werden, weil der Zuschuß für eine weitere Beschäftigung bisher nicht zugesagt wurde. Eine Wiedereinstellung sei zwar möglich, heißt es im Medienzentrum Walle. Aber das erste „Spartengespräch“ mit der Senatorin steht erst nächsten Mittwoch an.

Dann will das Medienzentrum sogar auf eine Erhöhung der Zuschüsse drängen: zwei Millionen statt einer jährlich. Vorsorglich hat man aber schon mal das „Bremer Filmfest“ aus dem Jahresplan gestrichen. Vorbereitet wird stattdessen ein Kulturfest mit dem Schwerpunkt „Spanien“, bei dem auch Filme gezeigt werden sollen, alles in Zusammenarbeit mit dem Instituto Cervantes.

Die Kündigung von Stegemann begreift das Medienzentrum als eine „fürsorgliche Maßnahme“. Will meinen: Falls die Stadt nicht zahlt, müßte das Medienzentrums selbst in die Bresche springen. Vor einer ähnlichen Entscheidung steht man auch in einigen Kulturläden, sagt Rainer Kaminski, Leiter der LAG (Landesarbeitsgemeinschaft) Soziokultur. Viele der Läden sind angewiesen auf MitarbeiterInnen, die aus dem „Projektetopf“ des Ressorts bezahlt wurden. Derzeit summiert sich das zu 36 „Fördereinheiten“ von bis zu 75.000 Mark pro Jahr. Das ganze aber ist ein Auslaufmodell, das noch aus Zeiten der verblichenen „Ampel-Koalition“ stammt. Ob dieser damals von Helga Trüpel erstrittene „Projektetopf“ fortgeschrieben wird, darüber gebe es von der neuen Senatorin bisher keine Auskunft, sagt Kaminski. Im „Brodelpott“ läuft eine entsprechende Stelle jetzt aus – dort müsse man sich eben entscheiden, ob man eher die Gruppenarbeit oder die Geschichtswerkstatt weiterführt. Auch Kaminski selbst sitzt auf einer so finanzierten Stelle – „ich weiß nicht, ob es die im Januar noch gibt.“

Ingo Ahmels wendet sich derweil an höhere Stellen als die Kulturbehörde. Gestern schickte er einen offenen Brief an Henning Scherf: Daß so kurz vor Jahresbeginn „noch keinerlei Handlungsspielraum für die bremischen Kulturinmstitutionen definiert wurde, und daß alles und fast alle im Unklaren belassen werden“ empfinde er „als unwürdige Zumutung.“ tw

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