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Ist Bremen noch zu retten?

■ Bürgerschaft debattierte über das Investitions-Sonderprogramm

Verspielt Bremen seine Zukunft, nur weil es kurzatmig und voller unrealistischer Hoffnungen über die Runden kommen will? Das war die Frage, die gestern in der Bürgerschaft heftig debattiert wurde. Es ging, wie schon so oft, um das Sanierungsprogramm. Aber es ging, und das war neu, zum ersten Mal im Parlament ernsthaft um eine tiefgreifende Veränderung des Sanierungs-Herzstücks: das Investitions-Sonderprogramm (ISP). Die Frage, vom grünen Abgeordneten Ralf Fücks gestellt, lautete: Kann sich Bremen ein 4,8 Milliarden Mark schweres Investitionsprogramm leisten, und gleichzeitig keine müde Mark mehr vom 17 Milliarden-Schuldenberg abtragen? Werden damit wegen der zu erwartenden immer noch hohen Zinsen nicht die politischen Spielräume der Zukunft verspielt? Fücks Lösung: Das ISP muß abgeschmolzen werden, ein Teil davon muß in die Entschludung gehen. Antwort der Großen Koalition und der AFB: Kommt gar nicht in die Tüte. „Ein erfolgreiches ISP ist die einzige Chance zur Rettung Bremens“, so Finanzsenator Ulrich Nölle.

Am Vormittag hatte die Bürgerschaft den Nachtragshaushalt für das laufende Jahr beschlossen, und damit die „Minustilgung“, deutsch: Neuverschuldung. Angesichts der neuen Bonner Steuergesetze und der schwierigen ökonomischen Lage waren die Steuereinnahmen derart abgesackt, daß an eine Schuldentilgung nicht mehr zu denken war. Vor diesem Hintergrund spielte sich dann am Nachmittag die ISP-Debatte ab, die die Große Koalition in den letzten Wochen heftig beschäftigt hatte. Stichworte: Hemelinger Tunnel und Linie 4. Doch die Grünen, die die Diskussion im Parlament angezettelt hatten, gingen noch weiter. Wenn jetzt nicht Schulden getilgt würden, dann kämen im Jahr 2000 150 Millionen Mark zusätzlicher Zinsen auf Bremen zu, rechnete Fücks vor. Und die müßten dann wieder aus den Bereichen Bildung, Kultur und Soziales geschnitten werden. Wer aber wolle in einer Stadt investieren, die nicht mehr lebenswert sei? Zumal die Hoffnungen auf die positiven Effekte des ISP nur „pure Illusionsmacherei“ seien, so Fücks. 60.000 neue EinwohnerInnen wollen CDU und SPD bis dahin nach Bremen gelockt haben, und 50.000 neue Arbeitsplätze geschaffen haben. Der Grüne dagegen: „Den Wachstumsbrumm wird es aber nicht geben.“

Das überzeugte die Koalition und die AfB allerdigs nicht. Immer wieder hielten sie den Grünen vor, was die gar nicht gefordert hatten: das ISP ganz einzustampfen. Ihr stärkstes Argument trug dann CDU-Fraktionschef Ronald-Mike Neumeyer vor: Es gehe die Modernisierung der veralteten bremischen Wirtschaftsstruktur, die ein Grund für die Krise sei. J.G.

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