piwik no script img

■ Guildo Horn über Schlager ohne SchubladenIns Dirndl geboren

Guildo Horn: Für welche Zeitung ist denn das?

taz: Für die taz, die tageszeitung.

Ach so, taz, Tatze.

Oh, das geht aber gleich wortwitzig zur Sache.

Jaja, gleich ein Schenkelklopfer. Aber ich habe es selbst noch nicht ganz verstanden.

Jetzt aber langsam. Sie meinen eine Tatze, eine Bärentatze. In Anlehnung an das emblematische ...

Ach ja? Ja, weiß ich ja nicht.

Nee, das kennen Sie nicht. Sie lesen keine Zeitung.

Na, ich lese immerhin den Trierer Volksboten.

Das klingt aber völkisch.

Na, das sagt jeder.

Und was steht da so drin?

Wir haben einen super Sportteil.

Aber ja keine gute Mannschaft zum Drüberberichten.

Och, Eintracht Trier und TVG ...

Theodor Vontane Gymnasium?

Nein, nein, TVT: Turnverein Trier.

Und Fontane wird ja auch mit W geschrieben. Gut, reden wir lieber über Schlager. Ist all das Ihr Ernst?

Ja.

Und Sie kommen musikalisch- evolutiv natürlich vom Punkrock.

Ja, das ist wohl bei jedem Schlagersänger so.

Und ansonsten auch alles normal. Konfirmation schön mit Bonanza-Rad?

Ja, mit Fuchsschwanz.

Und Sattel aus Eibenholz?

Nein, Fuchsschwanz.

Und dann wollen Sie jetzt mal die Szene gehörig verballhornen, so richtig alles aufmischen?

Es gibt auch Schlagerstars, die sich nackt an Zäune ketten.

Das sind doch nur die Auswüchse.

Also, ich finde den gut.

Mann, Sie sind vielleicht kultig.

Das stimmt nicht. Mit der Schlagermusik wächst man auf. Und dann kann man entweder den Schlager mit den Wertigkeiten seiner Eltern gleichsetzen und dagegen rebellieren, oder man läßt das bleiben.

So wie Sie.

So wie ich. In Schlagermusik steckt so viel drin an Facetten. Man muß den Begriff etwas weiter fassen und vielleicht wirklich diese Kategorisierungen unterlassen.

Jaja, das Schubladendenken.

Ich muß mich nicht unbedingt über ein Thema lustig machen, um mich dazu bekennen zu können.

Sie sind nicht witzig!

Genau wie es vielleicht verboten ist, in der Kirche zu lachen oder zu applaudieren, ist es wohl dein Vorurteil, daß man in der Schlagermusik nicht lachen darf. Ich lache ja nicht über den Schlager, ich lache ja über mich selbst.

Und das nicht zu Unrecht.

Wir müssen das nicht alles ernstnehmen. Die meisten singen ja nur über zukünftiges oder vergangenes Glück.

Und das sind der Sujets genug?

Bist du so ein Betroffener?

Ja, gerade jetzt.

Für die Dauer eines Konzertes, also so zwei Stunden, können sich die Leute einfach entspannen. Dann kommen die aus dem Konzert raus und fühlen sich wohl. Vom Kind bis zur Oma – und das quer durch alle Schichten –, das ist unser Publikum. Es ist handwerklich gut vorgetragen und macht Spaß. Quasi ein Crossover: mal sehr ergreifend, dann wieder zum Schmunzeln.

So wie das Leben.

Vorsicht mit dem Holzhammer!

Die deutsche Volksmusik- und Schlagerszene ist sehr heimatverbunden.

Es gibt ja überall schwarze Schafe, aber auch so viele ausländische Künstler: Howard Carpendale, Udo Jürgens, auch Peter Alexander. Wo willst du also hin?

Ich will weg – von dem Deutschgetümel.

Wir haben mit Nationalismus und so überhaupt nichts am Hut. Und ich kenne auch in Griechenland einen Kabarettisten, der macht Deutsche nach.

Es kann doch kein Verdienst sein, in Bayern ins Dirndl geboren zu sein.

Was du da erzählst, ist überhaupt nicht unser Thema.

Ihr seid Traditionalisten.

Ja, wertkonservative. Also, Manieren finde ich ganz toll, und Höflichkeit.

Existentialisten?

Was heißt das?

Der Bewegung des Existentialismus zugetan.

Im Sinne von Mollenhauer oder von wem?

Nö, Sartre.

Ach komm, ich allenfalls bin ein ...

Exhibitionist?

Ja klar, ein bißchen. Ich lerne ja gerne, also sag mal zwei Sätze.

Es widerspricht dem Wertkonservativen.

Also, ich steh' auf Fußball. Aber der Vogts ist doof.

Aber wertkonservativ.

Aber nicht so wie ich.

Der steht auch auf Primärtugenden.

Aber der ist nicht extrem.

Extrem sein heißt, man muß ...

Man muß gar nichts.

Ab heute ist Guildo Horn mit seiner Band „Orthopädische Stützstrümpfe“ auf Weihnachtstour. Wir raten vom Konzertbesuch dringend ab – es reicht ja wohl, daß Benjamin v. Stuckrad-Barre dieses Interview geführt hat.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen